Umgang mit Long Covid - «Mammutaufgabe über die nächsten Jahre»
Die Long-Covid-Erkrankung stellt die Forschung vor Rätsel und die
Patienten-Versorgung vor Herausforderungen. Gesundheitsministerin
Drese will Strukturen und Geld. Manchmal helfen schon Lego-Steine.
Greifswald (dpa/mv) - Die Schweriner Gesundheitsministerin Stefanie
Drese hat sich für mehr Anlaufstellen für Betroffene der
Long-Covid-Erkrankung und eine Finanzierung über die Krankenkassen
ausgesprochen. Es brauche flächendeckend Sprechstunden, so dass es
nicht zu Wartelisten komme, sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch
beim Besuch der Long-Covid-Ambulanz der Universitätsmedizin
Greifswald (UMG). «Unser gemeinsames Ziel muss es neben der Forschung
sein, dass das in die Regelfinanzierung geht».
Zu der Post- oder Long-Covid-Erkrankung, die nach einer
Corona-Infektion auftreten kann, werden laut UMG über 200 Symptome
gezählt. Die Forschung steht noch am Anfang. Nach Aussage der
Leiterin der Long-Covid-Ambulanz, Anke Steinmetz, können bisher nur
die Symptome therapiert werden. «Wir haben keine kausale Therapie.»
Konservative Schätzungen gehen nach Aussage Dreses davon aus, dass
vier Prozent aller von einer Infektion mit dem Coronavirus
Betroffenen an Post- oder Long Covid erkranken.
Seit der Einrichtung der Greifswalder Long-Covid-Ambulanz im Februar
2021 haben sich nach UMG-Angaben bereits mehr als 290 Patienten
vorgestellt. 180 befinden sich nach Schätzung von Steinmetz derzeit
auf der Warteliste. «Die Zahlen, die sind in Rostock ähnlich», sagte
Drese.
In der Long-Covid-Ambulanz müssten eingangs quasi alle Organsysteme
untersucht werden, erklärt Steinmetz. Die Lücke zwischen den Kosten,
die dafür abgerechnet werden können, und den tatsächlichen Kosten
beliefen sich pro Fall auf bis zu 1000 Euro. Dank finanzieller
Unterstützung des Landes müssten das die Patienten weder in
Greifswald noch in Rostock zahlen, sagte Drese. In Greifswald wird
gleichzeitig untersucht und geforscht. Die Forschung braucht es nach
Einschätzung Dreses auch für die angestrebte Finanzierung durch die
Krankenkassen, «um dann am Ende dieses Forschungsprojekts zu sagen:
die Diagnostik muss so und so ablaufen. Da gehört das und das da rein
mit Summe X,Y.»
Nach Daten der UMG sind bislang Frauen dreimal häufiger betroffen als
Männer. 86 Prozent der Betroffenen leidet demnach unter Erschöpfung,
knapp die Hälfte sogar in extremer Form. Bei einem sechsminütigen
Gehtest mit einem Messrad wiesen fast 60 Prozent eine reduzierte
Gehstrecke auf. Bei etwa zwei von fünf Patienten sei die geistige
Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Mehr als die Hälfte muss ihren
Alltag einschränkten. Rund ein Drittel kann einige bislang
alltägliche Aktivitäten nicht mehr allein bestreiten. Auch psychische
Auswirkungen sind den Angaben zufolge häufig.
Drese verwies darauf, dass neben der persönlichen Belastung auch der
Wegfall der Arbeitskraft stehe. Auch deshalb dürften Betroffene nicht
allein gelassen werden. Steinmetz berichtete von einer Patientin, die
vor ihrer Erkrankung als Führungskraft tätig gewesen sei und fließend
fünf Fremdsprachen gesprochen habe. Englisch habe sie sich wieder
erobert. «Die anderen Sprachen sind weg.»
Die Pflegerin Ute Stutz illustrierte wie Lego-Bausteine von Fatigue
Betroffenen helfen sollen, ihren Alltag besser zu organisieren. Die
aufeinander gestapelten Steine symbolisierten ihre Energie. Jeder
Stein könne nur einmal verplant werden. Wenn die Patienten über ihr
Limit gingen, fehle ihnen die Energie am nächsten Tag, weil ihre
Regeneration gestört sei. Es könne auch zu einem sogenannten Crash
kommen - dann könnten die Betroffenen gar nichts mehr. Der PC sei
dann heruntergefahren, wie sie sagte.
Am Donnerstag will sich der Bundestag mit dem Chronischen
Fatigue-Syndrom (CFS) befassen - einer extremen Form, die auch nach
einer Corona-Infektion auftreten kann. «Die Forschung wird eine
Mammutaufgabe über die nächsten Jahre», resümierte Drese.
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