Ampel diskutiert über letzte Corona-Maßnahmen

Für den Virologen Christian Drosten ist die Corona-Pandemie vorbei.
Nun wird in Berlin diskutiert, ob auch die letzten Corona-Maßnahmen
fallen sollen. Die FDP macht Druck, Gesundheitsminister Lauterbach
ist dagegen.

Berlin (dpa) - Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat
Forderungen nach einem schnellen Ende der noch bestehenden
Corona-Maßnahmen zurückgewiesen. «Ein sofortiges Beenden aller
Maßnahmen wäre leichtsinnig und wird auch von Christian Drosten nicht
gefordert», sagte der SPD-Politiker am Dienstag der Deutschen
Presse-Agentur.

Drosten, der Leiter der Virologie an der Berliner Universitätsklinik
Charité, hatte im Interview mit dem «Tagesspiegel» unter anderem
gesagt, nach seiner Einschätzung sei die Pandemie vorbei. Als
Reaktion hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gefordert,
«die letzten Corona-Schutzmaßnahmen» zu beenden.

Die FDP machte am Dienstag weiter Druck und bekam Unterstützung aus
der Union, die eine Sonderkonferenz mit den Ministerpräsidenten der
Länder und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Jahresauftakt
forderte. Ärzte-Vertreter appellierten an die Bevölkerung, sich
vorsichtig zu verhalten.

Lauterbach sagte: «Christian Drosten hat Recht, dass wir in den
endemischen Zustand der Coronawellen übergegangen sind, die Wellen
betreffen nur Teile der Bevölkerung.» Trotzdem gelte es, jetzt noch
die besonders gefährdeten Menschen zu schützen, etwa durch Masken in
Pflegeeinrichtungen oder durch die Isolation am Arbeitsplatz. «Die
Kliniken sind voll, das Personal überlastet, die Übersterblichkeit
ist hoch und der Winter ist noch nicht zu Ende.»

FDP-Politiker sehen dagegen keinen Grund mehr für verpflichtende
Maßnahmen. Mit der Erklärung von Drosten werde «jeglicher
Grundrechtseinschränkung zur Eindämmung des Coronavirus die Grundlage
entzogen», sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki dem «Tagesspiegel».

Justizminister Buschmann wies am Dienstag bei Twitter daraufhin, dass
es dafür auch gar keine Gesetzesänderung bräuchte. Die im
Infektionsschutzgesetz bis zum 7. April verankerten Maßnahmen, wie
die Maskenpflicht in Fernzügen und Fernbussen oder in medizinischen
und Pflegeeinrichtungen, könnten demnach auch einfach per Verordnung
durch die Bundesregierung aufgehoben werden. «Von dieser Möglichkeit
sollten wir jetzt Gebrauch machen», schrieb Buschmann in einem vom
26. Dezember datierten Brief an Lauterbach, über den der
«Tagesspiegel» berichtete.

Gegen kurzfristige Änderungen stellten sich neben Lauterbach aber
auch andere Politiker von SPD und Grünen: Die gesundheitspolitische
Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Baehrens, sprach sich dafür aus,
«den Pfad bis zum Ende der Regelungen Anfang April» beizubehalten.
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen wandte sich im Sender
ntv dagegen, «jetzt übers Knie gebrochen» Änderungen auf den Weg zu

bringen. Es gehe darum, nicht auf den letzten Metern das Spiel zu
vergeben.

Unterstützung bekam die FDP aus der Union. Deren
gesundheitspolitischer Sprecher Tino Sorge sagte dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): «Europa geht zur Normalität
über, nur die Ampel-Regierung hat nicht den Mut, die meisten
Corona-Maßnahmen endlich zu beenden.» Er forderte dazu ein Treffen
von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten der
Länder Anfang Januar.

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, sagte den
Zeitungen der Funke Mediengruppe, der Bund solle «dringend» die
Notwendigkeit seiner noch bestehenden Maßnahmen überprüfen. Das
verpflichtende Maskentragen in der Bahn sei immer schwerer
vermittelbar.

Ärztevertreter riefen zu gegenseitiger Rücksichtnahme auf.
«Entspannung heißt ja nicht, dass man alle Vorsichtsmaßnahmen fahren

lassen kann, man muss noch ein kleines bisschen auf sich und seine
Umwelt achten», sagte der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes,
Frank Ulrich Montgomery, dem Bayerischen Rundfunk. Er sprach sich für
das Tragen von Masken in Arztpraxen und engen und schlecht belüfteten
Innenräumen aus. Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus
Reinhardt, appellierte an «Umsicht». Er stellte im Deutschlandfunk
aber auch infrage, «inwieweit wir noch rechtliche Maßnahmen im Sinne
des Infektionsschutzgesetzes brauchen».