Corona 2022: Rekordinfektionen und das Ende der großen Angst Von Christof Rührmair, Marco Hadem und Christoph Trost, dpa
2022 war ein heftiges Jahr. Auch wegen der Pandemie, die in nie
gekannter Weise die Krankenstände nach oben treibt. Trotzdem hat das
Virus im Alltag der meisten Menschen seine Omnipräsenz verloren.
München (dpa/lby) - Es klingt paradox: Obwohl Corona 2022 so präsent
wie nie war, hat es gleichzeitig seine furchteinflößende Bedeutung
verloren. Einerseits haben die Infektionszahlen alle bisherigen
Rekorde gesprengt, andererseits spielt das Virus im täglichen Leben
der meisten Menschen nur noch eine sehr untergeordnete Rolle - auch
weil im Laufe des Jahres immer mehr Corona-Beschränkungen wegfielen.
Und selbst die Inzidenz hat massiv an Bedeutung verloren. Experten
gehen inzwischen davon aus, dass die gemeldeten Werte nur noch einen
Bruchteil des Infektionsgeschehens abbilden.
In den ersten Monaten des Jahres war Corona in Bayern fast überall.
Die Infektionszahlen in den ersten beiden Omikron-Wellen schossen in
bis dato nie gekannte Höhen. Inklusive Nachmeldungen erreichte die
aktualisierte Inzidenz laut RKI-Daten am 23. März ihren Höhepunkt bei
mehr als 2400. Erst Mitte April fiel sie wieder unter 1000.
Alleine in den dreieinhalb Monaten vom Jahresbeginn bis Mitte April
wurden im Freistaat mehr als drei Millionen Infektionen gemeldet -
mehr als doppelt so viele wie in den ersten beiden Corona-Jahren 2020
und 2021 zusammen, wie aus Daten des Landesamts für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit (LGL) hervorgeht.
Zu diesen Infizierten gehörte auch Bayerns Ministerpräsident Markus
Söder, der das am 9. April publik machte. Der CSU-Politiker hatte in
der Anfangsphase der Pandemie wegen seines strikten Corona-Kurses
viel Zustimmung erhalten und sich gerne als Anführer des selbst
ernannten «Teams Vorsicht» feiern lassen. Im zu Ende gehenden Jahr
vollzog er allerdings eine Wandlung: Es hieß fortan «Team Augenmaß»
und «Team Freiheit».
Der zügige Lockerungs-Kurs brachte Söder freilich auch einige laute
Kritik ein - etwa, dass aus dem «Team Vorsicht» plötzlich ein «Team
Volksfest-Hopping» oder «Team O zapft is» geworden sei. Denn auch
beim Anstich auf dem Oktoberfest war Söder dabei. Während und nach
der Wiesn, die nach zwei Jahren Pause wieder stattfinden durfte, lief
die vierte Corona-Welle des Jahres durch Bayern.
«Von einem «Team O zapft is» kann keine Rede sein. Unser Ziel war und
ist immer, eine an die Lage angepasste und pragmatische
Pandemie-Politik zu machen», verteidigt Söders Gesundheitsminister
Klaus Holetschek (CSU) den Kurswechsel. Zuvorderst sei es immer darum
gegangen, den bestmöglichen Schutz der Bürger zu erreichen.
«Natürlich haben wir gerade in der Anfangsphase deutlich strengere
Schutzmaßnahmen ergriffen, denn wir wussten anfangs noch zu wenig
über das Virus, über seine Varianten, und wir hatten zunächst keine
Impfungen», sagte Holetschek der dpa in München. Im Laufe der Zeit
habe man aber viel über das Virus gelernt, die Schutzmechanismen
hätten sich verbessert und es wurde großflächig geimpft. «Jetzt
stehen wir vor dem dritten Jahrestag des ersten Corona-Falles in
Bayern und Deutschland und sind natürlich in einer anderen Phase.»
Eine Corona-Phase war auch die Sommerwelle, die anders als in den
Jahren zuvor dazu führte, dass es auch in den warmen Monaten keinen
Einbruch der Zahlen gab. Trotzdem stand eine Absage des größten
Volksfestes der Welt aber nie wirklich zur Diskussion.
Wie hoch die Herbstwelle wirklich war, ist schwer festzustellen. Die
offiziell gemeldete Inzidenz stieg kurz über 1000, doch seit dem
Frühjahr hatte der Wert immer weiter an Aussagekraft eingebüßt. Weil
sehr viel weniger getestet wurde, gingen Experten von einer
steigenden Dunkelziffer aus.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach mit Blick auf
die bundesweite Situation davon, dass das wahre Infektionsgeschehen
das Drei- bis Vierfache der Inzidenz sei. Die Hospitalisierungen mit
Corona - ein anderer Indikator für das Infektionsgeschehen - stieg
während der Herbstwelle jedenfalls höher als je zuvor.
Auch wenn die Infiziertenzahlen weit über den Werten der ersten
beiden Jahre lagen - insgesamt wurden im laufenden Jahr schon mehr
als fünf Millionen Infektionen offiziell gezählt - blieben die
Todesfälle im Zusammenhang mit Corona unter den Werten der Vorjahre.
Allerdings starben auch 2022 mehrere Tausend Bayern im Zusammenhang
mit Corona.
Dennoch geht das Jahr mit sehr viel weniger Corona-Beschränkungen zu
Ende als es begonnen hat. Söder wähnt mit seinem Lockerungskurs
inzwischen den größten Teil der Bevölkerung - vor allem der
CSU-Anhänger - hinter sich. Deshalb schreckte er auch nicht davor
zurück, zusammen mit drei anderen Bundesländern vorzupreschen und die
Corona-Isolationspflicht für Corona-Infizierte abzuschaffen. Und
zuletzt auch die Maskenpflicht im Nahverkehr aufzuheben. Begründet
wird das in München mit einer fehlenden Rechtsgrundlage wegen der
geringen Inzidenz, andere Bundesländer halten dennoch daran fest.
Die offiziellen Inzidenzzahlen in Bayern sind derzeit vergleichsweise
niedrig. Allerdings wurde auch immer weniger getestet. Zuletzt sank
die Zahl der PCR-Tests unter 100 000 pro Woche. Im Februar waren es
noch sechsmal so viele. «Die Sieben-Tages-Inzidenz hat aufgrund der
gelockerten Teststrategie ihre «Seismographen-Funktion» weitgehend
eingebüßt», sagte der Chefarzt der Infektiologie in der München
Klinik Schwabing, Clemens Wendtner, Ende November. Damals schätzte er
die Dunkelziffer auf mindestens Faktor zehn.
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