Expertenrat skeptisch zu neuem Flickenteppich bei Corona-Regeln

Die für den Winter erwartete Corona-Infektionswelle ist bislang
schwächer ausgefallen als befürchtet - und schwere Krankheitsverläufe

sind seltener. Das veranlasste manche Bundesländer, Schutzmaßnahmen
zurückzunehmen. Experten sehen den neuen Flickenteppich skeptisch.

Schwerin (dpa/mv) - Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung hält
die Vorgaben des Bundes zur Pandemiebekämpfung aktuell für
angemessen, sieht die unterschiedliche Umsetzung der in Länderhoheit
liegenden Maßnahmen aber kritisch. «Dass wir grundsätzlich begrüß
en
würden, wenn es einigermaßen bundeseinheitliche Regelungen gäbe,
liegt auf der Hand. Denn es ist schwer vermittelbar, dass wir bei
einem Wechsel von einem Bundesland ins andere unterschiedliche Regeln
haben», sagte der Ratsvorsitzende Prof. Heyo Kroemer am Montag in
Schwerin. So haben Bayern und Sachsen-Anhalt die Maskenpflicht im
Nahverkehr aufgehoben, in einigen Ländern gilt zudem keine
Isolationspflicht mehr bei Covid-19-Erkrankungen.

Auf Einladung des Ludwigsluster Landrats Stefan Sternberg (SPD), der
als Vertreter der kommunalen Ebene dem Expertenrat angehört, hatte
das Gremium seine turnusmäßige Beratung in die Landeshauptstadt
Mecklenburg-Vorpommerns verlegt. Auch Sternberg äußerte Zweifel an
den vorgezogenen Lockerungen. «Das sind politische Entscheidungen,
die man angesichts der aktuellen Belastung vieler Kliniken durch eine
hohe Zahl anderer Erkrankungen auch anders hätte treffen können»,
sagte er.

Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Berliner Charité, verwies
ebenfalls auf die vielfach angespannte Personalsituation insbesondere
in Krankenhäusern, Kitas und Schulen durch krankheitsbedingte
Ausfälle. «Wir haben im Moment das Problem, dass wir parallel viele
andere virale Erkrankungen haben, die uns sehr beschäftigen. Doch
spielt dabei auch Corona immer noch eine beträchtliche Rolle», sagte
Kroemer. Allerdings sei der Anteil schwerer Krankheitsfälle im
Vergleich zu den früheren Infektionswellen spürbar zurückgegangen.
Als Gründe dafür nannte er die umfassenden Impfungen und
vorhergehende Corona-Infektionen.

Der Corona-Expertenrat war vor einem Jahr berufen worden. Im Auftrag
von Bund und Ländern erarbeitet er regelmäßig Lageeinschätzungen, d
ie
bei den Entscheidungen der Politik mit einfließen. Im Sommer hatte
der Bund die Corona-Schutzvorschriften deutlich reduziert, dabei aber
an der Maskenpflicht im Fernverkehr und bei Arztbesuchen
festgehalten. Die Bundesländer können darüber hinaus gehende
Regelungen treffen. Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin
Stefanie Drese (SPD) hatte in der Vorwoche im Landtag erklärt, dass
das Land bis auf Weiteres an den Corona-Schutzmaßnahmen im bisherigen
Umfang festhalten werde.

Den Angaben zufolge nimmt die Zahl der registrierten
Corona-Neuinfektionen in Mecklenburg-Vorpommern und auch bundesweit
nach einem zwischenzeitlichen Rückgang seit Ende November wieder
leicht zu. Nach Berechnungen des Robert Koch-Instituts (RKI) liegt
die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei über 200 Neuinfektionen pro
100 000 Einwohner. Allerdings gehen Experten seit einiger Zeit von
einer hohen Zahl nicht vom RKI erfasster Fälle aus - vor allem weil
bei weitem nicht alle Infizierte einen PCR-Test machen lassen. Nur
positive PCR-Tests zählen in der Statistik.