Tod nach Faustschlägen und Pfefferspray - zwei Polizisten angeklagt

Im Mai starb ein Mann nach einem Polizeieinsatz in Mannheim. Mit den
Hinterbliebenen solidarisierten sich viele Menschen und gingen gegen
Polizeigewalt auf die Straße. Nun hat die Anklagebehörde entschieden,
dass zwei Beamte zur Rechenschaft gezogen werden sollen.

Mannheim (dpa/lsw) - Nach einem gewaltsamen, tödlichen Polizeieinsatz
in Mannheim hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen zwei Beamte
erhoben. Einem Polizeioberkommissar wirft sie nach Angaben vom
Freitag Körperverletzung im Amt mit Todesfolge sowie versuchte
gefährliche Körperverletzung im Amt vor. Ein Polizeihauptmeister wird
der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen beschuldigt. Der Tod des
psychisch kranken Mannes hätte wohl verhindert werden können.

Das Landgericht muss darüber entscheiden, ob es die Anklage zulässt.
Bis wann das geschieht, vermochte ein Sprecher zunächst nicht zu
sagen. Zuerst hatte die «Rheinpfalz» (Donnerstag) darüber berichtet.


Am 2. Mai dieses Jahres war ein Patient des Zentralinstituts für
seelische Gesundheit Mannheim bei einem Polizeieinsatz am Marktplatz
zusammengebrochen. Der 47-Jährige starb im Krankenhaus.

Die Staatsanwaltschaft schildert in ihrer Mitteilung das Geschehen im
Detail: Demnach war der Mann zu dem Institut gekommen, weil sich sein
Zustand verschlechtert hatte. Er ging danach zum Polizeirevier in der
Innenstadt, klingelte dort und entfernte sich wieder. Sein Arzt war
ihm gefolgt und bat die beiden Polizisten um Hilfe.

Als sich der Mann nicht zur Rückkehr in das Institut bewegen ließ,
sprühte ihm der Polizeioberkommissar den Angaben nach Pfefferspray
ins Gesicht - was jedoch keine Wirkung zeigte. Der Patient habe sich
mit Faustschlägen gewehrt, bis beide Beamte den 47-Jährigen dann zu
Boden gebracht hätten. Als der Kommissar Handschellen anlegen wollte,
bäumte sich der Mann der Mitteilung zufolge auf, woraufhin der Beamte
viermal mit der Faust gegen dessen Kopf schlug.

Der Patient begann aus der Nase zu bluten und blieb einige Minuten
auf dem Bauch liegen. «Insbesondere durch die lange und ungünstige
Fixierung auf dem Bauch und eine Blockierung der oberen Atemwege
durch eingeatmetes Blut litt der 47-Jährige unter Sauerstoffmangel»,
heißt es in der Mitteilung. Er habe durch eine darauf beruhende
Stoffwechselentgleisung schließlich das Bewusstsein verloren und sei
letztlich trotz Wiederbelebungsmaßnahmen im Krankenhaus gestorben.

Den Ermittlungen zufolge sollen weder der Einsatz des Pfeffersprays
noch die vier Schläge nach polizeirechtlichen oder sonstigen
Vorschriften gerechtfertigt gewesen sein. Hingegen seien sie
mitursächlich für den Tod gewesen, erklärte die Staatsanwaltschaft.

Weil der Polizeihauptmeister den Erkenntnissen zufolge nicht selbst
ungerechtfertigte Gewalt anwendete, wirft ihm die Anklagebehörde nur
vor, den Mann nicht wenigstens in eine Seitenlage gebracht zu haben.
Damit hätte der Tod nach vorläufiger Einschätzung der Rechtsmedizin
«mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit» vermieden werden
können, hieß es. «Der 47-Jährige hätte dann freier atmen können

Der Fall hatte eine Debatte um Polizeigewalt angefacht. Im Internet
kursierte mindestens ein Video, auf dem zu sehen ist, wie ein
Polizist den auf dem Boden liegenden Mann gegen den Kopf schlägt. In
der Stadt bildete sich nach dem Tod des 47-Jährigen die Initiative
«2. Mai Mannheim», die sich mit den Hinterbliebenen solidarisiert.
Gut ein halbes Jahr nach dem tödlichen Einsatz gingen Anfang November
rund 175 Menschen bei einem Gedenkzug auf die Straße.

Die Initiative teilte am Freitag mit: «Der Polizeieinsatz war
katastrophal, das zeigen die veröffentlichten Einzelheiten zum
Tathergang am Marktplatz.» Zugleich stellte sie unter anderem die
Frage, warum von den Zivilisten und Zivilistinnen niemand
eingegriffen habe. «Warum hat niemand «Stopp» gerufen?»

Die Ermittlungen hatte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg
übernommen. Über ein Hinweisportal kamen 120 Videosequenzen. Daraus
wurde den Angaben nach ein einstündiger, chronologischer
Zusammenschnitt erstellt, mit dem das Geschehen rekonstruiert wurde.
Mehrere Hundert Personen meldeten sich als Zeugen, wobei viele ihr
Wissen aus sozialen Medien gehabt hätten. Letztlich wurden 91
Personen als echte Augenzeugen ermittelt. In den sozialen Plattformen
sichtete das Landeskriminalamt zudem rund 5900 Beiträge zu dem Fall.

Das Polizeipräsidium Mannheim teilte mit, dass der
Polizeioberkommissar aufgrund der Anklage weiter suspendiert bleibe.
Die Suspendierung des Polizeihauptmeisters werde aufgehoben. Er werde
bis auf weiteres im Innendienst innerhalb des Präsidiums eingesetzt.
Dies sei keine vorgelagerte Entscheidung, betonte das Präsidium.
«Eine abschließende disziplinarrechtliche Entscheidung kann erst
getroffen werden, wenn das justizielle Verfahren abgeschlossen ist.»