Fernseher schlägt Handy - wenn Kinder Medien konsumieren Von Thomas Strünkelnberg, dpa

Fernseher ausschalten, Handy weglegen - das kann Ärger geben, schon
mit den Kleinsten, ganz zu schweigen von Jugendlichen. Wieviel Zeit
Kinder tatsächlich mit Fernseher, Handy & Co. verbringen, sollte eine
neue Studie klären. Sind die Sorgen der Eltern berechtigt?

Hannover (dpa) - Ach, hätte ich doch ein Handy. Diesen Stoßseufzer
vieler Kinder, die sehen, dass die Erwachsenen ihr Smartphone kaum
mehr aus der Hand legen, dürften die meisten Eltern kennen. Wenn
gerade kleinere Kinder das erträumte Gerät tatsächlich in den Hände
n
halten, sind sie oft kaum noch ansprechbar. Umso erstaunlicher ist
es, dass für gerade die Kleinsten einer neuen Untersuchung zufolge
noch immer der Fernseher das absolute Lieblingsmedium ist. Das hat
auch Schattenseiten - und das ist Eltern bewusst.

Tatsächlich gilt für Kinder zwischen zwei und zwölf Jahren: Für 85

Prozent von ihnen ist das Fernsehgerät klar das bevorzugte Medium -
vor Tablet (63 Prozent) und Smartphone (59 Prozent), wie eine
Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH Kaufmännischen Krankenkasse mit Sitz
in Hannover ergab. Nur die Gruppe der Zehn- bis Zwölfjährigen nutzt
demnach das Smartphone (90 Prozent) etwas häufiger als den Fernseher
(86 Prozent). Befragt wurden insgesamt 1001 Eltern mit Kindern der
Altersgruppe. Die KKH ist mit rund 1,6 Millionen Versicherten eine
der größten bundesweiten gesetzlichen Krankenkassen.

Mit Abstand folgen in der Rangliste der Mediennutzung unter Zwei- bis
Zwölfjährigen die Spielekonsole (40 Prozent) sowie Computer, Laptop
oder Notebook (30 Prozent). Und gerade einmal zwölf Prozent der
befragten Eltern sogar der Allerjüngsten, der Zwei- bis Vierjährigen,
gaben an, dass ihr Kind noch keines dieser Geräte nutze.

Laut Umfrage gehen 25 Prozent der Eltern davon aus, dass ihr Kind ein
bis zwei Stunden am Tag auf einen Bildschirm schaut - 27 Prozent
gehen von 30 bis 60 Minuten aus, 26 Prozent von weniger als einer
halben Stunde. 14 Prozent der Mütter und Väter gaben an, dass ihr
Kind täglich auf zwei bis drei Stunden komme, 4 Prozent gehen von bis
zu fünf Stunden aus. Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen gibt es
demnach kaum.

Unter den Zehn- bis Zwölfjährigen nutzen 59 Prozent digitale Medien
bis zu zwei Stunden am Tag, 30 Prozent eher zwei bis drei Stunden, 10
Prozent sogar drei bis fünf Stunden.

Bei den Fünf- bis Neunjährigen sehen 27 Prozent bis zu 30 Minuten, 36
Prozent 30 bis 60 Minuten und 25 Prozent etwa eine Stunde bis unter
zwei Stunden, 9 Prozent zwei bis drei Stunden.

Unter den zwei- bis vierjährigen Kindern sehen 48 Prozent nur bis zu
30 Minuten auf einen Bildschirm, 23 Prozent etwa 30 bis 60 Minuten,
13 Prozent etwa eine Stunde bis unter zwei Stunden.

«Eltern setzen ganz bewusst Regeln ein, um die Zeit ihrer Kinder vor
dem Bildschirm einzuschränken - auch, damit sie einen
abwechslungsreichen Alltag haben», sagt die KKH-Psychologin Franziska
Klemm. Nur: Wieviel Zeit ist sinnvoll - und ab welchem Alter?

Tanja Brunnert, Vize-Bundessprecherin des Berufsverbands der Kinder-
und Jugendärzte rät: «Bildschirmfrei bis drei». Bei Kindern unter
drei Jahren sei es empfehlenswert, auf «Bildschirmkontakte völlig zu
verzichten». Auch Klemm sagt, digitale Medien hätten bis zum Ende des
zweiten Lebensjahres keinen wirklichen Nutzen.

«Um einschätzen zu können, ob Länge oder Inhalt der Medienzeit fü
r
ein Kind zu viel sind, sollten Eltern ihren Nachwuchs beobachten.
Reagiert das Kind mit Gereiztheit, Unkonzentriertheit oder vermehrtem
Bewegungsdrang, sind dies Anzeichen dafür, dass die Medienzeit
gegebenenfalls angepasst werden sollte», sagt Klemm. Kinder müssten
Schritt für Schritt an die digitale Welt herangeführt werden: «Das
ist vergleichbar damit, Kindern ein sicheres Verhalten im
Straßenverkehr beizubringen.» In der Corona-Pandemie stieg die
Medienzeit von Kindern wegen geschlossener Kitas und Homeschooling.

Das macht vielen Eltern Sorgen, der Untersuchung zufolge fürchtet
mehr als die Hälfte (54 Prozent) der befragten Eltern negative
Erfahrungen für ihre Kinder. Das können nicht-altersgerechte oder
gefährliche Inhalte sein, aber auch Cyber-Mobbing. 43 Prozent der
befragten Eltern sorgten sich auch wegen negativer Folgen für die
Gesundheit ihres Kindes. 34 Prozent sahen die Gefahr, dass Familie,
Freunde und Hobbys wegen des Medienkonsums zu kurz kommen könnten.

Möglicherweise nicht ganz zu Unrecht: «Übermäßige, unkontrolliert
e
Mediennutzung und der Kontakt zu nicht-kindgerechten Inhalten können
sich negativ auf die Gesundheit von Kindern auswirken», warnt Klemm.

Brunnert spricht von möglichen Störungen der sprachlichen Entwicklung
sowie beim Schlafverhalten und der Konzentrationsfähigkeit - und je
intensiver die Mediennutzung, desto größer die Auswirkungen. Auf
Dauer drohten sogar Suchtprobleme: «Es sind Parallelwelten, die da
entstehen.» Die Folgen jedenfalls seien «immens». Nach einer Umfrage

des Deutschen Kinderschmerzzentrums von 2019 werden zudem chronische
Kopfschmerzen durch Medienkonsum begünstigt.

Was können Eltern tun? Sie müssten Dauer und Inhalte reglementieren,
fordert Brunnert. «Und das muss man auch kontrollieren.» Das sei zwar
anstrengend - aber «die Power muss man als Eltern haben». So gehöre
ein Fernseher nicht ins Kinderzimmer und am Esstisch sollten auch die
Eltern kein Handy benutzen.

Erschütternd nannte sie ihre Beobachtung beim Impfen von Säuglingen -
wenn etwa Eltern das weinende Kind mit Hilfe des Handys trösten
wollten: «Die Eltern leben das vor.» Allerdings seien viele Eltern
auch vorbildlich.

Und was ist davon zu halten, Bildschirmzeit einfach ganz zu
verbieten? Brunnert meint, es gehe an der Lebensrealität vorbei,
digitale Medien zum Tabu und «Mist» zu erklären.

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