Warnung vor mehr psychischen Erkrankungen - «Klima geht ins Gehirn»

Flut und Waldbrand, Feinstaub und Hitze: Dass der Klimawandel
körperliche Schäden hinterlassen kann, ist offensichtlich. Aber auch
die Psychiatrie erwartet wachsende Patientenzahlen aus diesem Grund.

Berlin (dpa) - Im Zuge des Klimawandels könnten mehr Menschen als
bisher von psychischen Belastungen und Erkrankungen betroffen sein.
Fachleute warnten am Mittwoch in Berlin vor einem insgesamt erhöhten
psychiatrischen Versorgungsbedarf im Kontext von Wetter- und
Umweltveränderungen. «Der Klimawandel gefährdet die psychische
Gesundheit. Das Gesundheitssystem ist darauf nicht vorbereitet»,
schreibt eine Expertengruppe der Deutschen Gesellschaft für
Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
(DGPPN) in ihrer «Berliner Erklärung». Bei der Vorstellung am
Mittwoch forderten sie die Politik zu sofortigem Handeln auf.

«Klimaschutz bedeutet psychische Gesundheit. Klimawandel das
Gegenteil», sagte Mazda Adli, Chefarzt der Fliedner Klinik Berlin,
der zur Expertengruppe gehört. Einer Metaanalyse zufolge gebe es mit
jedem Grad Erderwärmung ein 0,9 Prozent höheres Risiko für psychische

Erkrankungen, heißt es in einem DGPPN-Positionspapier. Schon heute
erfüllen nach DGPPN-Angaben bundesweit knapp 28 Prozent der
Erwachsenen im Zeitraum eines Jahres die Kriterien einer psychischen
Erkrankung. Am häufigsten seien Angststörungen, Depressionen und
Störungen durch Alkohol- oder Medikamentengebrauch.

Was kommt im Zuge des Klimawandels hinzu? Mehr Angsterkrankungen,
mehr Depressionen, mehr Traumafolgen, mehr Suizide, sagte Adli. «Das
Klima geht ins Gehirn.» Wer bereits eine psychische Erkrankung habe,
sei dem Klimastress in besonderer Weise ausgeliefert. Andreas Heinz,
Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité
Berlin, nannte als verletzliche Gruppen darüber hinaus Frauen,
Menschen mit schwachen sozialen Netzwerken und solche mit niedrigem
sozioökonomischem Status.

Als direkte Folge des Klimawandels werden im Papier zum Beispiel
posttraumatische Belastungsstörungen genannt, die Menschen nach
Katastrophen wie einem Hurrikan betreffen können. Es geht aber etwa
auch um den Einfluss von Feinstaubbelastung: Dieser schade keineswegs
nur der Lunge. «Schmutzige Luft sorgt für schwere psychische
Krankheit», sagte Adli.

Hinzu kommen indirekte Folgen, die «zusätzlich massive psychische
Risiko- und Belastungsfaktoren» darstellen, wie es hieß. Gemeint sind
etwa Konflikte um Ressourcen wie Trinkwasser und Flucht wegen
zerstörter Lebensräume.

Dauerhafte Ängste, die manche Menschen wegen der Umweltzerstörung
hätten, beeinträchtigten letztlich die Resilienz (psychische
Widerstandskraft) und die Anpassungsfähigkeit, sagte Adli. Von
Ängsten seien insbesondere junge Menschen betroffen. «Und als
Psychiater, der normalerweise Ängste lindert, muss ich sagen: Diese
Ängste sind berechtigt.» Letztlich werde der soziale Zusammenhalt
beeinträchtigt, was die Debatte um Klimaaktivisten der «Letzten
Generation» nur zu gut zeige.

Die Fachleute schildern auch neue Begriffe: Klimaangst (climate
anxiety) und Solastalgie (Trauer um verlorenen Lebensraum).
Charité-Experte Heinz wertete sie als «ernstzunehmende psychische
Belastungsfaktoren».

Den Experten ist die Botschaft wichtig, dass Menschen nicht hilflos
ausgeliefert seien, sondern etwas tun könnten. Sie fassen sich auch
an die eigene Nase, wie es Meyer-Lindenberg formulierte, und stellten
eine Selbstverpflichtung vor. Unter anderem soll die Psychiatrie
nachhaltig und klimaneutral gemacht werden.

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