Mindestens 76 Millionen Euro Schaden durch Corona-Abrechnungsbetrug

Das Ausmaß des Betrugs mit angeblichen Corona-Testzentren ist massiv.
In den vergangenen zwei Jahren bereicherten sich Betrüger in einer
Vielzahl von Fällen mit Millionen von Euro.

Stuttgart (dpa/lsw) - Die Schäden wegen Abrechnungsbetrugs im
Zusammenhang mit angeblichen Corona-Testzentren liegen in
Baden-Württemberg bei mindestens 76 Millionen Euro. Auf diese Summe
kamen Staatsanwaltschaften durch die Bearbeitung von
Ermittlungsverfahren der vergangenen zwei Jahre, wie eine Antwort des
Justizministeriums auf eine Anfrage des AfD-Abgeordneten Anton Baron
ergab. In 30 bis 40 Ermittlungsverfahren sei eine Bezifferung des
Schadens noch überhaupt nicht möglich, hieß es in der Antwort weiter.


In Baden-Württemberg seien demnach aktuell etwa 155
Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des Corona-
Abrechnungsbetrugs anhängig. Rund 60 derartige Ermittlungsverfahren
seien in den vergangenen 24 Monaten abgeschlossen worden. Das
Justizministerium erwartet für das Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr
eine rückläufige Schadenssumme.

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) regte eine
Anpassung der Teststrategie an. «Ich halte eine anlasslose Testung
asymptomatischer Personen nicht mehr für angezeigt und appelliere
eindringlich an Sie, die Bürgertestungen nur noch auf diejenigen
Testungen zu begrenzen, die dem Schutz vulnerabler Gruppen dienen.
Diese sollten auch zukünftig kostenfrei angeboten werden», schrieb
Lucha in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Karls Lauterbach
(SPD) vom Donnerstag, der der dpa vorliegt. Zudem sollte laut Lucha
«endlich» eine Professionalisierung der Teststellen erfolgen.
Bürgertests sollten nur noch in Arztpraxen, Apotheken, von
Rettungsdiensten und den Öffentlichen Gesundheitsdiensten
durchgeführt werden dürfen.

Auch wenn die Betrugszahlen rückläufig sind, werden nach Auskunft der
Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg weiterhin Millionen an
Tests von aktuell etwa 2000 Teststellen im Land abgerechnet. «Heute
stellt sich die Frage, ob überhaupt noch Teststellen benötigt werden.
Aus unserer Sicht wird viel Geld für die Tests ausgegeben, was
eigentlich nicht erforderlich wäre und sicherlich aktuell sinnvoller
verwendet werden kann», sagte KV-Sprecher Kai Sonntag.

Wenn Menschen aus Krisen auf illegale Weise Profit schlügen, dann
schade dies allen, sagte Justizministerin Marion Gentges (CDU).
Gerade in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie sei der Zusammenhalt
aller in der Gesellschaft wichtig.

Baron sagte: «Sämtliche staatlichen Kontrollmechanismen haben hier
versagt. Hohe Summen wurden ohne jegliche Plausibilitätsprüfung an
teils unseriöse Akteure überwiesen. Durch regelmäßige Kontrollen vo
r
Ort hätte man die unrechtmäßigen Zahlungen einsparen können. Viele

der weniger seriösen Anbieter hatten Positivquoten in Richtung Null.
Allein diese statistische Auffälligkeit wäre Anlass zur Kontrolle
gewesen.»

Bezahlt wurden die für die Bürger kostenlosen Tests vom Bund. Zum 30.
Juni 2022 wurden die kostenlosen Bürgertests für Menschen ohne
Symptome im Grunde ausgesetzt. Sie sind jedoch noch für bestimmte
Risikogruppen und Anlässe kostenlos. In vielen anderen Fällen wird
eine Zuzahlung von drei Euro fällig. die Testverordnung, welche unter
anderem die Bürgertests regelt, tritt zum aktuellen Stand mit Ablauf
des 25. Novembers 2022 außer Kraft. Es gibt laut Lucha Signale,
wonach die Verordnung unverändert verlängert werden soll.

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaften wurde ein Teil des Schadens
durch den massiven Betrug sichergestellt. Durch Pfändungen von Konten
oder Einzug sonstiger Vermögen kamen immerhin rund 41 Millionen Euro
zusammen. Einiges Geld - nämlich rund 580 000 Euro - wanderte ins
Ausland. Die Transaktionsempfänger befanden sich in Kroatien (250 000
Euro), in der Türkei (257 000 Euro) und Luxemburg (20 600 Euro). Neun
Beschuldigte flüchteten ins Ausland, sieben sitzen wegen des
Verdachts auf Betrug in Untersuchungshaft.