Werner Schulz - Bürgerrechtler, Grüner und engagierter Querkopf Von Andreas Rabenstein, dpa

Berlin (dpa) - Werner Schulz war Sachse, DDR-Bürgerrechtler,
Abgeordneter in Volkskammer, Bundestag und Europa-Parlament,
Grünen-Politiker - und ein leidenschaftlicher Querkopf und Redner.
Für seine Alleingänge war er in seiner Partei bekannt und berüchtigt.

Er galt bei den Grünen als großer Widersacher von Joschka Fischer,
für die einen war er ein politischer Held, für die anderen eine
Nervensäge.

1950 wurde Schulz in Zwickau geboren, am Mittwoch starb der Vater von
zwei Kindern im Alter von 72 Jahren in Berlin am Rande einer
Veranstaltung zum Mauerfall am 9. November 1989 im Berliner Schloss
Bellevue. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier informierte die
Teilnehmer.

Schulz studierte Lebensmitteltechnologie in Ost-Berlin und arbeitete
an der Humboldt-Universität. Ende der 60er-Jahre stieß er zur
Oppositionellen-Bewegung in der DDR, wurde 1989 Mitglied des Neuen
Forums und im März 1990 in die erste frei gewählte Volkskammer
gewählt. Im ersten gesamtdeutschen Bundestag gehörte Schulz zu der
kleinen Gruppe ostdeutscher Abgeordneter vom Bündnis 90 - die
westdeutschen Grünen waren an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.

Bis 2005 saß Schulz für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, mit ein
er
eigenen Meinung zu vielen Themen, etwa der Zusammenarbeit mit der CDU
oder Kriegseinsätzen. Seine Widersacher kamen vor allem von den
westdeutschen Grünen aus der 68er-Bewegung. Als die Grünen 1998
zusammen mit der SPD an die Regierung kamen, verhinderte der künftige
Außenminister Joschka Fischer, dass Schulz Fraktionsvorsitzender
wurde.

Fischer habe keinen unabhängigen Kopf gewollt, sagte Schulz später in
einem Interview: «Als es 1998 zur Regierungsbildung kam, suchte
Fischer für die Fraktion einen Regierungssprecher, keinen
Fraktionssprecher.» 2002 unterlag Schulz erneut in einer Stichwahl um
den Fraktionsvorsitz, diesmal der Thüringerin Katrin Göring-Eckardt.

Als wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion stimmte er
als einziger Grüner 2003 einem Teil der Arbeitsmarktreformen nicht
zu. Und auch bei der Gesundheitsreform im gleichen Jahr enthielt er
sich der Stimme. 2005 wandte Schulz sich gegen die von Bundeskanzler
Gerhard Schröder (SPD) gestellte Vertrauensfrage im Bundestag, die
dessen Auflösung bewirkte. Er fand die Sache fingiert und erregte mit
seinem Vergleich, hier werde «ein Stück Volkskammer» aufgeführt, de
n
Zorn der eigenen Fraktion.

Von führenden Grünen wurde er dafür beschimpft, die damalige
Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sprach vom «tragischen Ende von
Werner Schulz». Seine fünfminütige leidenschaftliche Rede wurde
gewürdigt und ausgezeichnet. Die linke Tageszeitung «Taz» schrieb ein

«Loblied auf einen Nonkonformisten» und sprach von einer «der
bemerkenswertesten Reden in der Geschichte des Bundestages».

Durch seinen jahrelangen Solo-Kurs hatte Schulz allerdings die
Sympathien der Grünen verloren und kam nicht wieder in den Bundestag.
2009 erlebte der inzwischen 59-Jährige ein fulminantes Comeback, vor
allem durch seine rhetorischen Fähigkeiten. Mit einer glänzenden Rede
setzte er sich gegen die innerparteiliche Konkurrenz durch und wurde
für die Grünen ins Europa-Parlament gewählt. 2014 trat er nicht
erneut an.

Nun starb mit Schulz einer der prominentesten Bürgerrechtler aus der
Wendezeit am Jahrestag des Mauerfalls - den er immer statt des 3.
Oktober als deutschen Nationalfeiertag haben wollte.

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