Virologe: Höhere Corona-Zahlen im Herbst zu erwarten

Trotz vieler Corona-Infektionen rechnet der Virologe Fickenscher im
Herbst nicht mit häufigeren schweren Erkrankungen. Dies sei auch bei
der Kieler Woche im Sommer nicht der Fall gewesen. Dafür nennt er
mehrere Gründe.

Kiel (dpa/lno) - Der Virologe Helmut Fickenscher rechnet zwar mit
wieder mehr Corona-Infektionen im Norden in den kommenden Monaten.
«Höhere Fallzahlen sind natürlich realistisch zu erwarten, aber
höhere Fallzahlen bedeuten nicht auch häufigere schwere oder tödliche

Erkrankungen», sagte der Leiter des Instituts für Infektionsmedizin
der Universität Kiel der Deutschen Presse-Agentur. «Selbst bei den
lokal exorbitanten Fallraten nach der Kieler Woche war dies kein
wesentliches Problem.»

Laut einer vom Robert Koch-Institut veröffentlichten Studie unter
Leitung Fickenschers verdreifachte sich die Sieben-Tage-Inzidenz nach
dem Sommerfest ohne Corona-Beschränkungen Ende Juni zwar
vorübergehend in der Region. Im selben Zeitraum sei aber allenfalls
ein schwacher Anstieg bei Hospitalisierungen, schweren Erkrankungen
oder Todesfällen zu erkennen gewesen. Aufgrund der Absonderungsregeln
führten die hohen Infektionszahlen aber zu umfangreichen
Personalausfällen unter anderem in Krankenhäusern. In der Folge sank
auch die Anzahl der belegbaren Krankenhausbetten auf Normalstationen
stark.

«Trotz enorm hoher Infektionszahlen in diesem Jahr ist der Anteil
schwerer oder tödlicher Erkrankungsverläufe im Vergleich zu den
Vorjahren niedrig geblieben», sagte Fickenscher. Im Vergleich zu den
Vorjahren sei in der Bevölkerung ein wesentlich besserer Impfschutz
erreicht. Zudem habe ein relevanter Teil der Menschen mindestens eine
Infektion überstanden und somit eine noch wesentlich bessere
Immunisierung.

Zusätzlich seien die therapeutischen Möglichkeiten deutlich besser
geworden. In anderen europäischen Staaten sei dies in deren
Regelungen deutlicher berücksichtigt als in Deutschland, zum Beispiel
auch bei den Absonderungs-Regeln, sagte Fickenscher. «Neue Varianten
mit verstärkter Immunevasion werden sicherlich auftreten, aber
derzeit gibt es keinen Anhalt für neue Varianten mit einer erhöhten
Pathogenität.» Die Vorsichts-Argumentation von
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sei nützlich, damit
für diesen nicht auszuschließenden Fall adäquate Vorbereitungen
getroffen werden konnten. Der SPD-Politiker rief am Freitag in Berlin
zu Vorsichtsmaßnahmen und Impfungen auf, zeigte sich aber mit Blick
auf die kommenden Monate auch zuversichtlich.