«Heimtückisch und grausam»: Prozess um Thallium-Giftmorde gestartet Von Bernhard Krebs, dpa

Ein Krankenpfleger soll seine Ehefrau, seine schwangere
Lebensgefährtin und deren Großmutter mit dem Schwermetall Thallium
vergiftet haben. Seit Montag steht der Krankenpfleger als
mutmaßlicher Mörder vor dem Kölner Landgericht.

Köln (dpa) - Er versteckt sein Gesicht nicht hinter einem Aktenordner
- wie so viele Angeklagte. Im Gegenteil: Der Krankenpfleger aus
Hürth bei Köln mustert seinerseits die Anwesenden im Gerichtssaal. Er
trägt eine weiß-schwarze Collegejacke und ein blütenweißes Hemd.


Seit Montag muss sich der 41-Jährige wegen zweifachen Mordes,
Mordversuchs und versuchten Schwangerschaftsabbruchs vor dem Kölner
Landgericht verantworten. In den Jahren 2020 und 2021 soll er drei
Frauen mit dem Schwermetall Thallium vergiftet haben, das früher als
Rattengift eingesetzt worden war.

Während seine damalige Ehefrau im Mai 2020 und die Großmutter seiner
späteren Lebensgefährtin im April 2021 qualvoll nach langem Siechtum
an der Substanz sterben, überlebt die schwangere Lebensgefährtin im
November 2021 nur knapp in einem Krankenhaus nach der Gabe eines
Gegenmittels. Das gemeinsame, ungeborene Kind überlebt zunächst,
stirbt aber nach der Geburt. Ob aufgrund einer Thallium-Vergiftung,
das werde noch geprüft, sagte ein Gerichtssprecher.

Laut Anklage hat sich der Krankenpfleger im April 2020 an die Adresse
seines Arbeitgebers 25 Gramm Thallium schicken lassen. Zunächst habe
er das Gift dann «heimtückisch» seiner Ehefrau verabreicht. Die Frau

stirbt Ende Mai 2020 auf der Intensivstation eines Krankenhauses. 

Bereits im September 2020 habe der Mann über eine Internet-Plattform
eine neue Frau kennengelernt und sei wenig später mit ihr
zusammengezogen. Im Februar oder März 2021 habe der
Angeklagte beschlossen, die 92 Jahre alte Großmutter seiner
Lebensgefährtin zu vergiften - «in gefühlloser Gesinnung», wie der

Staatsanwalt sagt. Die Seniorin stirbt im April.

Im Herbst desselben Jahres soll er dann auch seine schwangere
Lebensgefährtin vergiftet haben. Da der Angeklagte spätestens nach
dem Tod seines ersten Opfers gewusst habe, welche Qualen eine
Thallium-Vergiftung auslöse, sieht die Staatsanwaltschaft in den
beiden Fällen neben Heimtücke auch das Mordmerkmal der besonderen
Grausamkeit erfüllt. Die Lebensgefährtin überlebte.

Der Angeklagte lässt über seine Verteidiger erklären, dass er die
Aussage verweigern werde. Weder zu seinem Lebenslauf noch zu den
Tatvorwürfen werde er sich im Prozess äußern.

Ein Motiv für die mutmaßlichen Taten des Angeklagten nennt die
Staatsanwaltschaft nicht. Mutlu Günal, einer der beiden Verteidiger
des 41-Jährigen, sagt am Rande des Prozesses: «Wir sehen das hier als
offenen Indizienprozess.» Bis Ende Januar 2023 hat das Landgericht 22
Verhandlungstage terminiert. Insgesamt sollen 38 Zeugen und sechs
Sachverständige vernommen werden.