«Keinen Pfennig dazu bezahlt» - Optiker Fielmann feiert 50. Jubiläum Von Thomas Kaufner, dpa

«Brille: Fielmann» - selten gelingt es Unternehmen, den Markennamen
mit Werbung und schierer Größe als Synonym für die ganze Gattung zu
etablieren. Die Optikerkette hat das geschafft. In Deutschland geht
jede zweite Brille in einer Fielmann-Filiale über den Ladentisch.

Hamburg (dpa) - Ein neues Optikergeschäft an der Nordseeküste
markiert vor 50 Jahren den Beginn einer Branchenrevolution. Als der
junge Optiker Günther Fielmann sich kurz nach seinem 33. Geburtstag
am 21. September 1972 mit einem eigenen Laden in Cuxhaven
selbstständig macht, hat er bereits einen festen Plan: Er will die
bis dahin handwerklich geprägte Optikerszene aufmischen. Und er lockt
Kunden mit dem Versprechen, auch für kleines Geld modische Brillen zu
bieten, die nicht nur eine notwendige Sehhilfe sind - damals eine
Marktlücke. Die Geschäftsidee dahinter: Geld verdienen mit vielen
günstigen statt mit wenigen teuren Brillen.

Daher setzt Fielmann von Anfang an auf Expansion. Schnell eröffnet er
weitere Filialen - auch das eine Innovation in der Branche. «Der
wirtschaftliche Erfolg beruht darauf, dass Günther Fielmann als
Erster die Idee hatte, die Kassenbrille salonfähig zu machen und mit
mehreren Filialen zu arbeiten», sagte der Präsident des
Zentralverbandes der Augenoptiker und Optometristen (ZVA), Thomas
Truckenbrod, der dpa. «Bis dahin war jeder Optiker ein
inhabergeführter Handwerksbetrieb mit allenfalls einigen
Angestellten.»

Dass Brillentragen in den ersten Jahren des Fielmannschen Start-ups
nicht unbedingt modischen Spaß verhieß, wissen heute nur noch ältere

Jahrgänge der Boomergeneration. Damals zählte eine medizinisch
notwendige Sehhilfe noch zum gesetzlichen Leistungskatalog der
Krankenkassen - aber die kostenlosen «Kassenbrillen» waren alles
andere als ein Hingucker. «Zu der Zeit wurden Millionen über die
Kassenbrille diskriminiert», erinnerte sich Fielmann einmal. «Sie
trugen sozusagen den Nachweis ihres niedrigen Einkommens auf der
Nase.»

Um das zu ändern, schließt Fielmann 1981 zunächst mit einer AOK einen

Sondervertrag zur Produktion von 90 unterschiedlichen Kassenbrillen.
Alle großen Krankenkassen schließen sich in den Folgejahren an.
Fielmann wird endgültig zum Magnet für mode- und preisbewusste
Brillenträger. Legendär wird ein Werbespot, in dem ein kleines
Mädchen stolz seine neue Kinderbrille zeigt und am Ende sagt: «Und
mein Papi hat keinen Pfennig dazu bezahlt.» Das Unternehmen selbst
preist dies als «Demokratisierung der Brillenmode».

Auch in der Branche, die in den ersten Jahren nicht immer glücklich
mit der Konkurrenz dem aggressiven Newcomer war, wird dem Optiker
bescheinigt, dem Thema Brille neuen Glanz verliehen zu haben:
«Fielmann ist es in den 70ern und frühen 80ern ganz sicher gelungen,
das verstaubte Image der Brille aufzupolieren», sagte
Verbandspräsident Truckenbrod. Frühere Konflikte wegen unterstellter
Wettbewerbsverstöße sind aus Verbandssicht längst Geschichte. «Wir

haben uns auch immer mal wieder gezankt», sagte Truckenbrod. «Da sind
die Emotionen doch stark zurückgegangen.»

Große Anerkennung hat sich Fielmann nach Truckenbrods Worten in der
ganzen Branche mit der Ausbildung des Optikernachwuchses erworben.
«Fielmann bildet enorm aus, und die Qualität der Ausbildung ist
branchenweit als sehr gut anerkannt.» Mehr als 7000 Augenoptikerinnen
und Augenoptiker werden dort nach Unternehmensangaben jährlich
qualifiziert - laut Verband die Hälfte des gesamten
Branchennachwuchses.

50 Jahre nach dem Start des ersten Geschäftes ist Fielmann ein
börsennotierter Multi und - seit 2019 unter der Führung von Günther
Fielmanns Sohn Marc - mit 22 000 Beschäftigten in 16 europäischen
Ländern aktiv. Allein in Deutschland gibt es zurzeit rund 610
Filialen. Gemessen an 11 280 augenoptischen Betriebsstätten
hierzulande klingt das wenig. Aber in den Fielmann-Filialen geht rund
jede zweite der in Deutschland verkauften 12,8 Millionen Brillen
(2021) über den Ladentisch. Allein Fielmann kommt nach ZVA-Daten auf
etwa 22 Prozent des gesamten Branchenumsatzes.

Derweil ist Primus Fielmann mit dem Filialkonzept längst nicht mehr
allein. Nach Berechnungen des Verbandes besitzen allein die zehn
umsatzstärksten Unternehmen mehr als ein Fünftel aller 11 280
Betriebsstätten - und kommen auf etwa die Hälfte des gesamten
Branchenumsatzes. Als Nummer zwei nennt der ZVA die ebenfalls 1972
gegründete Kette Apollo Optik, die über den niederländischen
Optikerriesen Grandvision zum französischen Optikkonzern
Essilorluxottica gehört. Dahinter werden - mit schon großem Abstand -
Pro Optik und der Berliner Online-Newcomer Mister Spex genannt.