Tod eines Covid-Patienten: Krankenschwester verurteilt Von Frank Christiansen, dpa

Eigenmächtig reduziert eine Krankenpflegerin die Dosis eines
wichtigen Medikaments. Ein schwerst kranker Corona-Patient stirbt
wenige Stunden später. Handelte die Frau aus Mitleid? In Düsseldorf
wurde nun das Urteil gesprochen.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Eine Krankenschwester ist in Düsseldorf wegen
versuchten Totschlags an einem Covid-19-Patienten schuldig gesprochen
worden. Das Landgericht verurteilte die Frau am Mittwoch zu zwei
Jahren Haft auf Bewährung. Außerdem verhängte das Gericht ein
vierjähriges Berufsverbot gegen die 41-Jährige. «Sie ist davon
ausgegangen, zum Wohl des Patienten zu handeln», sagte der
Vorsitzende Richter Rainer Drees. Ihr Motiv sei Mitleid gewesen.
Andererseits habe sie sich über die klare Weisung des Oberarztes
hinweggesetzt.

Die 41-Jährige hatte gestanden, die Dosis eines wichtigen
Blutdruckmedikaments halbiert zu haben. Sie habe das Leiden des
52-jährigen Intensivpatienten verkürzen wollen. Der Patient war
wenige Stunden später auf der Intensivstation eines Neusser
Krankenhauses gestorben.

Die Ärzte hätten mit dem baldigen Ableben des Patienten gerechnet,
führte der Richter aus. Dessen Lunge sei schwer geschädigt gewesen,
sein Kreislauf sei von Apparaten aufrecht erhalten worden. Es sei ein
Gespräch mit den Angehörigen geplant gewesen über die Fortsetzung der

Therapie. Dabei wäre es darum gegangen, «dem Sterbeprozess seinen
Lauf zu lassen».

Weil nicht auszuschließen war, dass der schwerst kranke Mann auch
ohne den eigenmächtigen Eingriff der Krankenpflegerin gestorben wäre,
war der Frau nur versuchter Totschlag vorgeworfen worden.

Mit dem Urteil entsprach das Gericht der Strafforderung von
Staatsanwältin Laura Hollmann. «Wir müssen das hier verkürzen, sons
t
liegt der hier morgen noch», habe die Schwester zu einer Kollegin
gesagt. Sie habe das Leid nicht mehr mitansehen können, habe in einer
Situation der Überlastung und der emotionalen Überforderung
gehandelt.

Die Prognose für den Patienten sei schlecht gewesen. «Sie hätte aber

natürlich nicht über Leben und Tod entscheiden dürfen», sagte die
Staatsanwältin. Die Verteidiger sprachen sich ebenfalls für eine
Bewährungsstrafe aus und verzichteten nach dem Urteil auf
Rechtsmittel.

«Man hat einen Eindruck bekommen, wie es auf den Intensivstationen zu
Corona-Zeiten zugegangen ist», sagte einer der Verteidiger. «Von der
Belastung können wir uns alle kein Bild machen.» Es habe sich um ein
«Augenblicksversagen» der Krankenschwester gehandelt.

Die Frau, die sonst immer aufopferungsvoll gearbeitet habe, habe sich
in einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Inzwischen habe sie
sich beruflich umorientiert und wolle in ihren alten Beruf nicht
zurückkehren.

Zuvor hatte die 41-Jährige die Situation noch einmal eindrücklich
geschildert: «Man steht allein in dem Zimmer drin, der Patient blutet
aus allen Löchern, alles piept. Er ist gelb angelaufen und wiegt nur
noch die Hälfte.»

Die Krankenschwester hatte die Unterdosierung gestanden, die
Verantwortung dafür übernommen und sich bei der Familie des Mannes
entschuldigt. Ihr habe in diesem Fall die professionelle Distanz
gefehlt, weil der Patient sie an ihren Ehemann erinnert habe.