Gerüchte um Putins Gesundheit - oder: was verraten äußere Merkmale? Von Yuriko Wahl-Immel, dpa
Hat Putin Parkinson, ist er krebskrank? Solche Spekulationen kochen
immer wieder hoch, wenn äußerliche Merkmale als ungewöhnlich für de
n
Kremlchef auffallen. Lässt sich wirklich vom Erscheinungsbild
zuverlässig auf den Gesundheitszustand eines Menschen schließen?
Berlin/Düsseldorf (dpa) - Der russische Präsident scheint sich mit
der rechten Hand geradezu am Tisch festzuklammern, als er mit seinem
Verteidigungsminister spricht. Das Video vom April ging um die Welt
und löste neue Gerüchte um den Gesundheitszustand Wladimir Putins
aus. Schon zuvor hatte es Rätselraten gegeben, weil der Kremlchef
ausländische Gäste wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) - vor dem russischen
Angriff auf die Ukraine Ende Februar - stets an einem sechs Meter
langen Tisch maximal auf Abstand hielt. Wollte er sich nicht ins
Gesicht schauen lassen, fragte sich so mancher im Netz. Die
Mutmaßungen reichten über Parkinson, Schilddrüsenkrebs, Schlaganfall
bis hin zu Demenz, sobald Putins Gesicht mal aufgedunsen wirkte oder
sein Gang hölzern.
Kann das äußere Erscheinungsbild eines Menschen tatsächlich etwas
über seinen Gesundheitszustand verraten? Welchen Aufschluss gibt die
Haut als größtes menschliches Organ? «Vom bloßen Anblick her lass
en
sich nur wenige Diagnosen dingfest machen», sagt Christiane Bayerl
von der Dermatologischen Gesellschaft. «Aber verschiedene klinische
Zeichen machen aufmerksam», ergänzte sie - fernab vom Beispiel
Putin. Dermatologen würden dann je nach Anzeichen etwa
Gewebeuntersuchungen, Abstriche auf Keime oder auch Ultraschall
durchführen, um in die Haut zu sehen. Mit nicht-geschultem Blick
Schlüsse ziehen zu wollen, sei aber schwierig. «Leider wird auch
vieles von Laien fehlinterpretiert.»
So könne eine rote Färbung im Gesicht auf Bluthochdruck hinweisen,
aber auch ganz ohne jeden Krankheitswert sein. Eine bestimmte
Verteilung der Rötung könnte wiederum Indiz sein für eine recht
verbreitete entzündliche Rosazea-Hauterkrankung, erläutert die
Klinik-Direktorin aus Wiesbaden. «Ein sehr schöner bronzefarbener
Teint mit dunkel pigmentierten Handflächen steht für eine Störung der
Funktion der Nebennierenrinde.» Auch bei Magersucht und
Mangelernährung zeige sich eine vermehrte Pigmentierung.
Bei einer Schilddrüsenunterfunktion ist die Haut Bayerl zufolge oft
trocken, schuppig oder Ödeme - Ansammlung von Flüssigkeit im Gewebe -
treten in der Augenumgebung auf. Mit geröteten Augen haben etwa
Pollenallergiker zu tun. Tränensäcke könnten völlig ohne
Krankheitsbild sein, solange sie nicht blutig-bräunlich seien. Auf
äußere Merkmale und Veränderungen der Haut zu achten, sei sinnvoll
und für Dermatologen «täglicher Job».
Auch bei einer Reihe von neurologischen Erkrankungen gebe es
Hautveränderungen, schildert Peter Berlit, Generalsekretär der
Gesellschaft für Neurologie. Wirke der Gang eines Menschen gestört,
könne das manchmal «zumindest Verdachtsdiagnosen erlauben» - etwa auf
Spastiken oder Parkinson. Eine reduzierte Mimik weise womöglich unter
anderem auf Einnahme bestimmter Medikamente hin oder auf psychische
Erkrankungen. Demenz könne man nicht an äußerlichen Faktoren
erkennen, stellt er klar. Weitere äußere Warnzeichen? «Unwillkürl
iche
Bewegungen der Extremitäten oder spontane Muskelzuckungen können
wichtige Krankheitssymptome sein.»
Aus Körperhaltung, Motorik, Geschwindigkeit der Bewegung oder dem
Gesichtsausdruck könne man durchaus Indizien für Krankheiten
ableiten, sagt auch Allgemeinmediziner Manfred Imbert. Aber: «Man hat
damit nie eine Gewissheit, sondern zunächst nur eine
Wahrscheinlichkeit.» Und es brauche einige Erfahrung, um äußerliche
Auffälligkeiten oder sichtbare Veränderungen einordnen zu können, die
dem Laien wohl in der Regel fehlen dürften, wie der niedergelassene
Arzt aus Alsdorf bei Aachen zu Bedenken gibt. «Wenn ein Auto qualmt
und klappert, weiß auch der Laie, dass etwas nicht stimmt, aber eben
noch lange nicht, was genau da nicht stimmt.»
Bei vielen Erkrankungen gebe es eine ganze Reihe von möglichen
Symptomen, die aber zugleich auch zu mehreren anderen Störungen
passen würden. Beispiel: «Nicht jedes Zittern ist Parkinson.»
Hingegen könnten ein starrer Gesichtsausdruck, verzögerte Reaktion
oder Schwindel sehr wohl auf Parkinson hindeuten. Auch beim
Schlaganfall verhalte es sich mit den äußeren Indizien ein bisschen
so «wie bei einem Chamäleon», das seine Körperform und -farbe stark
verändern kann. Je nach Länge der Durchblutungsstörung im Gehirn und
je nach betroffenem Areal könne es mal zu Lähmungserscheinungen
kommen, mal zu Gefühlsstörungen, in anderen Fällen würden
Sprachstörungen ausgelöst, erläutert Imbert.
«Prinzipiell ist es hochwichtig, dass man bei sich, dem Partner, nahe
stehenden Personen auf äußere Merkmale und Veränderungen achtet.
Selbstbeobachtung kann eine wichtige Vorbeugung sein», betont Imbert
etwa mit Blick auf Muttermale oder Knötchenbildungen unter der Haut.
Schilddrüsenkrebs - zurück zu Gerüchten um Putin - sei äußerlich
nicht zu erkennen, es sei denn, es gebe dicke Knotenbildungen am Hals
im fortgeschrittenen Stadium. Ohnehin hält es der Mediziner für
«unzulässig», aus Videoclips auf bestimmte Krankheiten schließen zu
wollen. «Eventuell kann man sehen, dass was nicht in Ordnung ist,
aber darüber hinaus wäre alles im Reich der Spekulationen
anzusiedeln.»
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