Wende bei Ischgl-Prozessen um Corona-Opfer: Urteil aufgehoben

Wien (dpa) - Die Corona-Opfer von Ischgl können wieder auf
Schadenersatz hoffen. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hob in einem
Urteil vom Montag ein erstinstanzliches Urteil auf, das die Ansprüche
eines deutschen Klägers auf Schmerzensgeld, Heilungs- und
Pflegekosten sowie auf entgangenen Verdienst abgewiesen hatte.
Staatliche Informationen über drohende Gefahren müssten richtig und
vollständig sein, hieß es. Dies sei in Ischgl nicht der Fall gewesen.
Dort habe die Medienstelle noch am späten Nachmittag des 5. März 2020
verbreitet, dass sich an Corona erkrankte Urlauber aus Island nach
ersten Erkenntnissen bei der Rückreise im Flugzeug angesteckt hätten.
Dabei sei zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen, dass bei zwei
Infizierten die ersten Symptome bereits in Ischgl aufgetreten seien.

Damit sei wissentlich eine Information erfolgt, die nicht den
aktuellen Stand der Erhebungen wiedergegeben habe, hieß es vom OLG.
Darin liege «eine rechtswidrig und schuldhaft erfolgte Information»,
wofür eine grundsätzliche Haftung der Republik Österreich bestehe.
Das OLG verwies an die erste Instanz zurück und ließ außerdem wegen
der grundsätzlichen Rechtsfragen eine Anfechtung vor dem Obersten
Gerichtshof zu.

Die Klägerseite reagierte erfreut. «Das Erstgericht muss die
Amtshaftungsklagen nun fundiert prüfen. Wir vertrauen daher darauf,
dass die Republik Österreich den Geschädigten von Ischgl letztlich
Schadenersatz leisten wird», sagte Peter Kolba vom
Verbraucherschutzverein (VSV). Der VSV vertritt die Interessen von
rund 100 Klägern, die bisher alle in erster Instanz gescheitert
waren. Ischgl galt im März 2020 auch wegen seiner Après-Ski-Szene als
ein Hotspot der Verbreitung des Virus. Tausende Touristen sollen
nicht zuletzt aufgrund der teils chaotischen Zustände bei ihrer
Abreise das Virus in Teilen Europa verbreitet haben.