Raus aus der Prostitution - Jobwechsel-Projekt sieht erste Erfolge
Die coronabedingte Schließung von Bordellen hat im Südwesten viele
Prostituierte in finanzielle Not gebracht. Das landesweite Projekt
«Works» will ihnen den Wechsel in andere Berufe ermöglichen. Eine
erste Bilanz fällt positiv aus - verbunden mit einer Forderung.
Ravensburg (dpa/lsw) - Etwas mehr als ein Jahr nach dem Start des
landesweiten Projekts «Works» zur beruflichen Neuorientierung von
Prostituierten haben die Leiter eine positive Zwischenbilanz gezogen.
Bislang habe man mit den Angeboten 163 Menschen erreicht, sagte
Projektleiterin Lydia Kissel von der Werkstatt Parität vom
Paritätischen Wohlfahrtsverband in Baden-Württemberg am Freitag in
Ravensburg. 16 Menschen seien bisher aus der Prostitution in andere
Berufe, Ausbildungen oder Studiengänge vermittelt worden. Angesichts
der Pandemie, die die Arbeit mit der Zielgruppe erschwere, sei diese
Bilanz «sehr, sehr positiv».
In Baden-Württemberg waren nach Angaben der Projektträger vor der
Corona-Pandemie knapp 5000 Prostituierte gemeldet. Mit der
Dunkelziffer dürfte die Zahl nach Einschätzung des Berufsverbands
erotische und sexuelle Dienstleistungen (BESD) aber deutlich höher
liegen. «Viele wurden durch die coronabedingte Schließung von
Bordellen in die Illegalität gedrängt», sagte die Sprecherin des
BESD-Landesverbands für Baden-Württemberg, Daria Oniér. «Die, die
gemeldet sind, haben Unterstützung bekommen können - wer schon unter
prekären Umständen gearbeitet hat, aber nicht.»
Dort setzt nach Angaben des Paritätischen Wohlfahrtsverbands das
Projekt «Works» an. Gerade bei Sexarbeiterinnen, die unter schlechten
Bedingungen oder illegal tätig sind, sei während Corona das Bedürfnis
nach einem Berufswechsel gestiegen. Auf dem Weg dorthin wolle man
Hindernisse abbauen - zum Beispiel durch Hilfe bei der Wohnungssuche
und die Vermittlung von Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung. Das
Projekt läuft in Stuttgart und Pforzheim sowie den Landkreisen
Enzkreis, Reutlingen, Tübingen, Ravensburg und Bodenseekreis.
Dort seien durch das Projekt etwas mehr als fünf Vollzeit-Stellen für
Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bei bestehenden und neuen
Beratungsstellen finanziert worden. Sie hätten sich unter anderem mit
kleinen Geschenktüten vor Bordelle gestellt oder Prostituierte zur
Corona-Impfung begleitet, um den Kontakt mit Sexarbeiterinnen und
Sexarbeitern herzustellen. «Wir haben Unterschiedliches ausprobiert»,
sagte Riccarda Freitag von der im Zuge des Projekts neu gegründeten
Beratungsstelle PROUT der Aidshilfe Tübingen-Reutlingen. «Und
irgendwann fing das Eis dann an zu brechen.»
Die Beratung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfordere aber oft
sehr viel Geduld, betonte Projektleiterin Lydia Kissel. Drohende
Obdachlosigkeit, fehlende Kinderbetreuung und wenig Berufsausbildung
führten dazu, «dass eine berufliche Neuorientierung extrem beratungs-
und damit zeitintensiv ist», sagte Kissel. Deshalb wünsche man sich
eine Verlängerung des Angebots. Bisher fördert das
baden-württembergische Sozialministerium das Projekt bis Jahresende
mit knapp einer Million Euro aus EU-Mitteln. Auch die Stellen für
Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind entsprechend befristet.
Ein Ministeriumssprecher betonte am Freitag, das Haus bewerte das
Projekt «bislang überaus positiv». Die Arbeit trage dazu bei, die
Chancen von Prostituierten auf Teilhabe in der Gesellschaft zu
verbessern. Der Wechsel in ein anderes Berufsfeld sei «nicht leicht»,
umso wichtiger seien solche Beratungsangebote. Damit das Projekt
weiter finanziert werden kann, könnten sich die Träger um weitere
Fördergelder aus dem Europäischen Sozialfonds Plus bewerben. Das sei
«grundsätzlich eine Perspektive», sagte Projektleiterin Kissel.
Auch BESD-Sprecherin Daria Oniér, selbst Sexarbeiterin, forderte eine
Verlängerung und eine Ausweitung des Projekts auf andere Regionen.
«Unser Berufsverband will auch nicht, dass jemand in der Prostitution
arbeitet, der das eigentlich nicht will.» Bei «Works» seien
Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter ergebnisoffen und auf Augenhöhe
beraten worden - und nicht wie Opfer. «Die machen das super», sagte
Oniér. «Gerade jetzt, wo viele Kolleginnen und Kollegen im Dunkelfeld
arbeiten, ist es absolut wichtig, dass das Projekt verlängert wird.»
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