Neue Daten zu Omikron-Impfstoffen - Unmut über Zulassungspraxis

Vor dem Winter dürfte für viele noch ein Corona-Booster anstehen. Der
sollte möglichst maßgeschneidert auf die kursierenden Virustypen
sein. Doch das ist nicht so einfach.

Mainz (dpa) - Im Wettlauf mit dem mutierenden Coronavirus haben
Hersteller aus ihrer Sicht positive klinische Daten zu angepassten
Impfstoffen vorgelegt. So veröffentlichten Pfizer/Biontech und
Moderna jüngst Ergebnisse, denen zufolge ihre angepassten Booster
eine effiziente Immunantwort auch gegen die neueren Omikron-Sublinien
BA.4 und BA.5 anregen.

Wichtig zu wissen ist, dass die neuen Vakzine aber nicht speziell auf
diese Varianten maßgeschneidert sind, sondern auf die in Deutschland
nicht mehr kursierende Sublinie BA.1. Nun wird debattiert, ob das
Zulassungsverfahren nicht verkürzt werden sollte, damit die Präparate
der Evolution von Sars-CoV-2 nicht zu weit hinterherhinken.

Es gibt Hinweise, dass eine Infektion mit BA.1 nicht besonders gut
vor einer weiteren Infektion mit BA.4 oder BA.5 schützt. Daraus
könnte man schließen, dass die neueren Sublinien auch einem auf BA.1
angepassten Impfstoff eher durchs Netz gehen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und der Berliner
Virologe Christian Drosten sprachen sich kürzlich für eine
Impfkampagne mit bis zu 40 Millionen Geimpften noch vor dem Winter
aus. Angepasste Impfstoffe könnten dabei einen besseren Immunschutz
gegen Omikron-Sublinien bieten als vorhandene Präparate. Wobei
niemand im Moment genau weiß, welche Varianten im Winter
in Deutschland dominieren werden.

Die am Wochenende von Biontech/Pfizer veröffentlichten Ergebnisse
beziehen sich vornehmlich auf den Schutz vor BA.1. Probanden, die als
Booster einen angepassten Impfstoff erhalten hatten, zeigten deutlich
höhere neutralisierende Antikörperreaktionen gegen BA.1 als beim
bisherigen Biontech/Pfizer-Impfstoff, heißt es in einer Mitteilung.
Insgesamt machten an der Studie 1234 Teilnehmer ab 56 Jahren mit.

Eine Biontech-Sprecherin sagte auf Anfrage, noch seien keine Daten
veröffentlicht, wie die angepassten Impfstoffe gegen die aktuell
vorkommenden Sublinien wie BA.4 und BA.5 im Vergleich zum bestehenden
Vakzin abschneiden. Laut Mitteilung sei aber in vorläufigen
Laborstudien gezeigt worden, dass beide angepassten Impfstoffe gegen
Viren der Sublinien BA.4 und BA.5 wirken, wenn auch in geringerem
Umfang als bei BA.1.

Moderna und Biontech/Pfizer stellen ihre neuen Daten unter anderem
der EU-Arzneimittelbehörde EMA zu Verfügung, bei der bereits
Prüfverfahren dazu laufen. Bisher ist noch kein auf Varianten
angepasster Impfstoff in der EU zugelassen.

Die Zulassung eines solchen Mittels wird frühestens im September
erwartet, auch weil die Hersteller in Studien an Menschen nachweisen
müssen, dass das maßgeschneiderte Vakzin einen echten Vorteil bringt.
Nun gibt es Diskussionen, ob diese Studien wirklich notwendig sind.
Die Argumentation: Mit weniger Vorgaben ginge die Zulassung
schneller, und die Gefahr wäre geringer, dass das Virus bei Impfstart
bereits weiter mutiert ist, so dass es der Impfwirkung einfacher
entkommen kann.

Biontech-Chef Ugur Sahin sprach sich kürzlich in der «Financial
Times» für ein wesentlich schnelleres Verfahren aus, das keine
zusätzlichen klinischen Studien erfordert - ähnlich wie beim jährlich

angepassten Grippe-Impfstoff. Das könne bis zu vier Monate Zeit
sparen.

Der Präsident des in Deutschland für Impfstoffe zuständigen
Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus Cichutek, sieht das anders. «Wenn
wir uns in Ruhe vorbereiten auf die Herbstwelle, gibt es überhaupt
keinen Grund, auf die entsprechenden klinischen Daten beim Menschen
zu verzichten», sagte er der «Welt am Sonntag». Zwar könne man die

Zulassungspraxis in einer Notlage anpassen, die läge aber momentan
nicht vor.