Abtreibung nach Urteil bereits in einigen US-Bundesstaaten verboten

Es ist ein Moment, auf den Konservative in den USA gewartet haben:
das Ende des liberalen Abtreibungsrechts. Viele Bundesstaaten haben
sich auf diesen Moment schon vorbereitet. Sie wollen keine Zeit
verlieren.

Washington (dpa) - Nach der historischen Entscheidung des Obersten
Gerichtshofs sind in etlichen US-Bundesstaaten bereits weitgehende
Abtreibungsverbote in Kraft getreten. In Staaten wie Arkansas,
Kentucky oder Louisiana sind Abtreibungen nun nicht mehr erlaubt -
auch nicht bei Vergewaltigungen oder Fällen von Inzest. Ausnahmen
gibt es in der Regel nur für medizinische Notfälle. Eine Reihe
liberaler Staaten hat hingegen am Freitag angekündigt, das Recht auf
Abtreibungen weiter schützen zu wollen. US-Präsident Joe Biden
kündigte Maßnahmen an, um die Rechte der Frauen zu schützen. Er steht

der Entscheidung aber relativ machtlos gegenüber.

In mehreren Großstädten der USA protestierten am Freitag Tausende
Menschen spontan gegen das Urteil, darunter in der Hauptstadt
Washington, in New York, Austin, Denver und Philadelphia. In New York
demonstrierten allein im Washington Square Park in Manhattan
mindestens 1000 Menschen für das Recht auf Abtreibung. Demonstranten
hielten am Freitagabend (Ortszeit) Schilder mit Aufschriften wie
«Mein Vergewaltiger hat mehr Rechte als ich» in die Höhe
und skandierten Slogans wie etwa «Abtreibung ist ein Menschenrecht».


Der Supreme Court hatte am Freitag das liberale Abtreibungsrecht des
Landes gekippt. Der mehrheitlich konservativ besetzte Supreme Court
machte damit den Weg für strengere Abtreibungsgesetze frei - bis hin
zu kompletten Verboten. Einige Staaten haben bereits Gesetze
vorbereitet, die in Kraft treten können, wenn die bisherige
Rechtssprechung kippt - sogenannte Trigger Laws. In einigen
Bundesstaaten treten sie sofort in Kraft, in anderen dauert es etwa
einen Monat. In manchen Staaten braucht es eine formale Bestätigung
des Generalstaatsanwalts oder Gouverneurs.

Es gibt in den USA kein landesweites Gesetz, das
Schwangerschaftsabbrüche erlaubt oder verbietet. Abtreibungen waren
aber mindestens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt - heute
etwa bis zur 24. Woche. Dies stellten zwei Urteile des Obersten
US-Gerichts sicher, die nun gekippt wurden. Nun dürfen die
US-Bundesstaaten über das Recht auf Abtreibung entscheiden. In rund
der Hälfte der Staaten dürfte Abtreibung nun stark eingeschränkt oder

verboten werden.

Nach Angaben der «New York Times» waren bereits am Freitagabend
(Ortszeit) mehr als sieben Millionen Frauen im gebärfähigen Alter von
den neuen Beschränkungen betroffen. Diese Zahl dürfte in den
kommenden Tagen und Woche noch deutlich ansteigen. In vielen Staaten
wie etwa Missouri oder Oklahoma drohen Ärztinnen und Ärzten, die
Abtreibungen durchführen, nun lange Gefängnisstrafen. Die
Gouverneurinnen und Gouverneure unter anderem aus
Kalifornien, Oregon, Washington, Massachusetts, New Jersey und New
York bekannten sich hingegen zu ihrer liberalen Haltung bezüglich
Abtreibungen. Frauen können nun theoretisch in diese Staaten reisen,
um eine Abtreibung durchführen zu lassen. Allerdings können sich das
viele überhaupt nicht leisten.

Die Demokraten würden das Recht auf Abtreibung gerne per Gesetz
bundesweit regeln. Doch dazu fehlen ihnen die nötigen Stimmen im
Kongress. US-Präsident Biden kann dieses Recht auch nicht einfach per
Dekret wiederherstellen. Der Demokrat hofft, bei den Kongresswahlen
im November eine notwendige Mehrheit für ein solches Gesetz für seine
Partei zu bekommen. Umfragen deuten aber eher in die andere Richtung
- auf Zugewinne für die Republikaner.

Biden kündigte nun an, dass seine Regierung alles dafür tun werde,
das Recht von Frauen auf Reisefreiheit sicherzustellen. «Eine Person
hat das Recht, aus jedem beliebigen Grund von einem Staat in einen
anderen zu reisen - das geht niemanden etwas an, schon gar nicht die
Regierung», hieß aus dem Weißen Haus. Wenn jemand versuche, Frauen
bei der Ausübung dieses Grundrechts zu behindern, werde die Regierung
Biden diesen «zutiefst unamerikanischen Angriff bekämpfen».

Biden ordnete außerdem dem Gesundheitsministerium an,
sicherzustellen, dass der Zugang zu zugelassenen Abtreibungspillen -
einschließlich über Telemedizin und des Versands per Post -
sichergestellt sei. Nach Auffassung des Justizministeriums können
Bundesstaaten ein entsprechendes Medikament nicht einfach verbieten.

Während Liberale mit Entsetzen auf das Urteil reagierten, feierten
viele Konservative die Entscheidung. Ex-Präsident Donald Trump nannte
die Entscheidung einen «Gewinn für das Leben». Sein damaliger Vize
Mike Pence rief Abtreibungsgegner dazu auf, sich dafür einzusetzen,
dass Schwangerschaftsbrüche nun in allen Bundesstaaten verboten
werden. Eine Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner befürwortet
Umfragen zufolge das Recht auf Abtreibung.