Bundestag berät erstmals über Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe

Berlin (dpa) - Mehr als zwei Jahre nach einem wegweisenden Urteil des
Bundesverfassungsgerichts befasst sich der Bundestag am Freitag mit
konkreten Vorschlägen zur Regelung der Sterbehilfe in Deutschland. In
erster Lesung (11.40 Uhr) werden dazu drei fraktionsübergreifende
Gesetzentwürfe in die parlamentarischen Beratungen eingebracht.

Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das 2020
ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe
gekippt hatte, da es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes
Sterben verletzte. Dabei hat «geschäftsmäßig» nichts mit Geld zu
tun,
sondern bedeutet «auf Wiederholung angelegt».

Mitte Mai hatte sich der Bundestag bereits in einer Grundsatzdebatte
noch ohne konkrete Entwürfe mit dem Thema beschäftigt. In den drei
Initiativen aus dem Parlament geht es um Regeln für mögliche
organisierte Angebote, unter anderem mit Beratungspflichten und
Wartefristen. Dazu sollen zunächst Ausschussberatungen folgen:

- Nach dem Entwurf einer Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci (SPD)
und Ansgar Heveling (CDU) soll die geschäftsmäßige Förderung der
Selbsttötung grundsätzlich unter Strafe gestellt werden - aber mit
einer Ausnahme für Volljährige: Um die freie Entscheidung ohne
inneren und äußeren Druck festzustellen, sollen in der Regel zwei
Untersuchungen durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für
Psychiatrie und Psychotherapie im Abstand von drei Monaten und eine
umfassende ergebnisoffene Beratung vorgegeben werden.

- Eine Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Petra Sitte (Linke)
schlägt eine Neuregelung außerhalb des Strafrechts vor. Sie soll «das

Recht auf einen selbstbestimmten Tod legislativ absichern und
klarstellen, dass die Hilfe zur Selbsttötung straffrei möglich ist»,

wie es im Entwurf heißt. Vorgesehen ist ein breites Beratungsangebot.
Ärzte sollen Arzneimittel zum Zweck der Selbsttötung dann
verschreiben dürfen, wenn sie von einer «gewissen Dauerhaftigkeit und
inneren Festigkeit des Sterbewunsches» ausgehen. Seit der Beratung
müssten in der Regel mindestens zehn Tage vergangen sein.

- Eine Gruppe um Renate Künast (Grüne) und Nina Scheer (SPD) legt den

Entwurf eines «Gesetzes zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes
Sterben» vor. Es soll Betroffenen sicheren Zugang zu bestimmten
Betäubungsmitteln eröffnen. Vor der Abgabe soll eine verpflichtende
Beratung vorgegeben werden. Dabei soll nach Motiven unterschieden
werden: Bei Menschen in «gegenwärtiger medizinischer Notlage» müsst
en
zwei Ärzte im Abstand von zwei Wochen die Voraussetzungen bestätigen.
Bei Sterbewunsch aus anderen Gründen sollen höhere Anforderungen zum
Nachweis der Dauerhaftigkeit des Entschlusses gelten. Hierfür soll
eine Landesbehörde die Voraussetzungen überprüfen und dann eine ein
Jahr gültige Bescheinigung auf Zugang zu Betäubungsmittel ausstellen.