Oberstes US-Gericht lässt Bayer in Glyphosat-Verfahren abblitzen

Mit der Übernahme von Monsanto hat sich Bayer enorme rechtliche
Risiken eingebrockt - vor allem wegen des Unkrautvernichters
Glyphosat. Die Leverkusener hofften auf einen Befreiungsschlag vorm
Supreme Court. Doch das oberste US-Gericht wies den Fall jetzt ab.

Washington/Leverkusen (dpa) - Der Bayer-Konzern ist in einem
wegweisenden Rechtsstreit um angebliche Krebsrisiken des
Unkrautvernichters Glyphosat mit einem Berufungsantrag beim obersten
US-Gericht gescheitert. Der US Supreme Court gab am Dienstag in
Washington bekannt, sich mit dem für viele andere US-Verfahren
richtunggebenden Fall nicht zu befassen. Für Bayer stirbt damit -
zumindest zunächst - die Hoffnung auf einen Befreiungsschlag im
Dauerkonflikt um juristische Altlasten, die der Agrarchemie- und
Pharmakonzern sich mit dem über 60 Milliarden Dollar teuren Kauf des
US-Saatgutriesen Monsanto 2018 eingebrockt hatte.

Konkret ging es bei dem Antrag beim Supreme Court um die Überprüfung
eines Urteils zugunsten des Klägers Edwin Hardeman, der
glyphosathaltige Monsanto-Produkte für seine Krebserkrankung
verantwortlich machte. Ihm waren 2019 nach einem Gerichtsprozess
letztendlich gut 25 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen
worden. Bayer weist vehement zurück, dass Glyphosat Krebs verursacht.
Der Konzern argumentiert mit der Zustimmung von Aufsichtsbehörden und
Studien, die belegen sollen, dass Unkrautvernichter wie Monsantos
umstrittenes Roundup bei vorschriftsgemäßer Anwendung sicher seien.

Bayer hatte große Hoffnung darauf gesetzt, dass der Supreme Court die
Entscheidung kippt. Das hätte Signalwirkung für zahlreiche weitere
Glyphosat-Klagen in den USA gehabt, von denen für den Dax-Konzern
milliardenschwere Rechtsrisiken abhängen. Doch überraschend kommt die
Entscheidung des obersten US-Gerichts, den Fall Hardeman nicht
anzunehmen, nicht. Die Regierung von Präsident Joe Biden hatte dem
Supreme Court bereits davon abgeraten. Das war eine durchaus
beachtliche Kehrtwende - unter Vorgänger Donald Trump hatte sich
Washington zunächst noch hinter Bayer gestellt.

«Wir können die Ablehnung des Falls Hardeman durch den Supreme Court
nicht nachvollziehen», teilte Bayer nun mit. In seiner Stellungnahme
deutet der Konzern jedoch an, sich in den USA weiter um ein klärendes
Glyphosat-Urteil auf höchstrichterlicher Ebene bemühen zu wollen.
Diese Entscheidung beende zwar den Fall Hardeman, es gebe aber
weitere Fälle - auch zu Roundup - mit denen sich der Supreme Court
befassen könne. «Wir fühlen uns durch den intensiven Zuspruch von
Amtsträgern, Landwirtschaftsverbänden und anderen Interessensgruppen
nach der rechtlichen Kehrtwende der US-Regierung bestärkt.»

Das Leverkusener Unternehmen hatte bereits die Weichen für eine
Schlappe beim Supreme Court gestellt. Für diesen Fall hatte Bayer im
vergangenen Sommer zusätzliche Rückstellungen von 4,5 Milliarden
Dollar gebildet. Mit diesem Geld will der Konzern ein Programm
aufsetzen, um in den kommenden 15 Jahren mit den Forderungen
potenzieller neuer Kläger in den USA umzugehen. Zuvor hatte Bayer
bereits rund 11 Milliarden Dollar beiseite gelegt, um rechtliche
Altlasten von Monsanto mit einem großen US-Vergleich beizulegen. Auch
wenn die Entscheidung des Supreme Court erwartbar war, reagierten
Bayers Aktien am Dienstag zunächst mit deutlichen Kursverlusten.

Die vielen Klagen, mit denen Bayer in den USA konfrontiert ist,
stützen sich besonders auf eine Einschätzung der Internationalen
Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation. Sie stufte
Monsantos Unkrautvernichter 2015 als «wahrscheinlich krebserregend»
für Menschen ein. Die US-Umweltbehörde EPA ist hingegen bislang mit
Bayer auf einer Linie, sie hält Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung
für sicher. Der Konzern hatte auch vor dem Supreme Court damit
argumentiert, dass sein Unkrautvernichter Roundup von der EPA als
unbedenklich eingestuft werde und US-Bundesrecht nicht mit
einzelstaatlichen Gerichtsentscheidungen kollidieren dürfe.

Doch zuletzt geriet auch das Umweltamt selbst mit seiner
Glyphosat-Bewertung rechtlich unter Druck. Am Freitag wurde die EPA
von einem Berufungsgericht angewiesen, die Gesundheitsrisiken erneut
zu überprüfen. Die Richter störten sich in ihrem Urteil besonders
daran, wie die EPA begründete, dass Glyphosat nicht krebserregend
sei. Die zugrundeliegende Analyse sei «fehlerhaft» und stehe
teilweise nicht im Einklang mit den Leitlinien der Behörde. Die EPA
wollte sich zu der Kritik auf Nachfrage nicht äußern. Man werde die
Glyphosat-Entscheidung aber überprüfen, sagte eine Sprecherin.

Bei den Prozessen mit den vielen einzelnen US-Klägern, die Roundup
für ihre Krebserkrankungen verantwortlich machen, hat sich das Blatt
hingegen zuletzt zugunsten von Bayer gewendet. Nachdem der Konzern
die ersten drei Verfahren verloren hatte, gab es am Freitag bereits
den vierten Erfolg in Folge. Eine Geschworenenjury in Jackson County,
Oregon, sprach Bayer einstimmig von den Krebs-Vorwürfen frei. «Wir
stehen weiterhin vollständig hinter der Sicherheit von Roundup»,
teilte das Unternehmen mit. Bayer kündigte an, sich in den künftigen
Rechtskonflikten zu dem Thema «selbstbewusst» zu verteidigen.