Niedersachsen ringt um mehr Medizin-Studenten

Die ärztliche Versorgung gerade auf dem Land wird in Niedersachsen
zunehmend zum Problem. Vor der Landtagswahl formulieren die großen
Parteien ihre Pläne, wie sie das verhindern wollen.

Hannover (dpa/lni) - In Niedersachsen soll es angesichts des
drohenden Ärztemangels in den kommenden Jahren deutlich mehr
Medizin-Studienplätze geben als bisher. Darüber sind sich die vier
größten Parteien vor der Landtagswahl im Herbst einig - auch wenn
sich ihre Pläne im Detail unterscheiden.

Nach Angaben einer Sprecherin von Wissenschaftsminister Björn Thümler
(CDU) sind die Kapazitäten in den vergangenen fünf Jahren bereits um

mehr als 30 Prozent ausgebaut worden, von 598 Plätzen im Studienjahr
2017/18 auf 789 im kommenden Studienjahr 2022/23. Der Großteil dieser
Plätze entfällt auf die Uni Göttingen (349) und die Medizinische
Hochschule Hannover (320). Doch auch in Oldenburg wurde die Zahl auf
mittlerweile 120 Plätze binnen vier Jahren verdreifacht.

Die CDU und die Grünen bekennen sich nun in ihren Wahlprogrammen zu
200 weiteren Studienplätzen, auch SPD und FDP sind für einen Ausbau,

nennen dafür allerdings keine Zahl. Damit gleichzeitig auch der
Zugang zum Medizinstudium erleichtert wird, spricht sich die CDU
zudem dafür aus, sich vom Numerus Clausus (NC) zu lösen. Bisher ist
in der Regel ein sehr gutes Einser-Abi für das Studium notwendig.

Künftig könnte dagegen eine Kombination aus den Abiturnoten, einem
Medizinertest und Erfahrungen - etwa eine Ausbildung zum
Krankenpfleger oder zur Krankenschwester - über die Vergabe der
Studienplätze entscheiden, regt CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann
an: «Als alleiniges Kriterium der Zulassung zum Studium der
Humanmedizin soll der NC dann ausgedient haben. Dass wir ihn nicht im
Alleingang abschaffen können, ist klar, aber wir werden uns dafür
einsetzen.»

Aus der SPD heißt es dazu, dass der NC als alleiniges Kriterium sich
in der Tat «als nicht praxistauglich» erwiesen habe. Man sei daher
offen «für andere Formen der Zugänge zum Medizinstudium» und wolle

«so viele Plätze schaffen, wie es nötig ist».

Die Spitzenkandidatin der Grünen, Julia Willie Hamburg, bekräftigt,
man wolle mindestens 200 zusätzliche Studienplätze schaffen, weil
Niedersachsen mehr Ärztinnen und Ärzte brauche. Das könne auch eine
Absenkung des NC zur Folge haben - ein niedrigerer NC alleine reiche
aber nicht, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Vielmehr gehe es
etwa auch um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. «Deshalb müssen
wir die Arbeitsbedingungen gerade an den Kliniken verbessern»,
fordert Hamburg. Außerdem sei es sinnvoll, die Ärzteausbildung auch
in ländlicheren Kliniken mit durchzuführen, um die Studierenden an
diese Regionen zu binden. «Ein Beispiel dafür ist die European
Medical School in Oldenburg», sagt die Grünen-Politikerin.

FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner hebt hervor, dass Niedersachsen im
Ländervergleich die wenigsten Medizin-Studienplätze im Verhältnis zur

Einwohnerzahl habe. «Rot-Grün und die große Koalition aus SPD und CDU

haben es in den vergangenen zehn Jahren versäumt, dem Ärztemangel
wirksam etwas entgegenzusetzen», kritisiert Birkner. Ein «erheblicher
Aufwuchs» der Studienplätze sei deshalb notwendig. Die konkreten
Kapazitäten hingen jedoch von unterschiedlichen Faktoren wie dem
Ausbau der Universitätskliniken sowie der Eignung und Verfügbarkeit
von Patienten für die akademische Lehre ab.

Mit Blick auf das Zulassungsverfahren erklärte Birkner, schon heute
würden Kriterien abseits der Schulnoten berücksichtigt. Jeder, der
eine Reform fordere, müsse also sicherstellen, dass mehr
Studienplätze auch tatsächlich zu mehr Medizinern führen. Denn bisher

landeten zu wenige Absolventen im Arztberuf. Nach Ansicht der
FDP könnten finanzielle Praxiszuschüsse, Bürokratieabbau und
familienfreundliche Praxismodelle helfen, das zu ändern.