Krank durch Hitze - Besonders hohes Risiko für Großstädter Von Oliwia Nowakowska, dpa

Der Hochsommer steht vor der Tür. Bereits Mitte Juni überschritten
die Temperaturen in den meisten Regionen die 30-Grad-Marke. Für
einige Gruppen kann Hitze besonders belastend sein. In der Hauptstadt
soll es dagegen jetzt einen Plan geben.

Berlin (dpa) - Wenn die Wohnung auch nachts nicht abkühlt, die nackte
Haut beim Anfassen von Beton förmlich brennt und einen schon das
Nichtstun erschöpft, weiß man: Der Hochsommer ist da. Ganz besonders
spürbar ist er in Großstädten wie Berlin. Dabei ist Hitze nicht nur
enorm anstrengend - sie kann auch krank machen oder sogar tödlich
sein. Experten sprechen von einem stillen Sterben.

Trotz der bekannten Gefahr, die vor allem von langen Hitzewellen
ausgeht, halten Fachleute viele Einrichtungen im Gesundheitswesen für
nicht ausreichend vorbereitet. In Berlin soll sich das nun ändern: 
Ein Bündnis aus Ärztekammer, Gesundheitsverwaltung und Deutscher
Allianz Klimawandel und Gesundheit (Klug) hat am Montag
Hitzeschutzpläne vorgestellt, die etwa Krankenhäuser und
Pflegeeinrichtungen als Muster nutzen können.

In diesen Vorlagen steht, worauf im Fall von Warnungen des
Deutschen Wetterdiensts zu achten ist: Es geht um naheliegende Punkte
wie eine leichte Ernährung mit kühlen, wasserreichen Speisen,
vermehrte Trinkangebote und Verlegungen gefährdeter Patienten in
kühlere Zimmer. Aber zum Beispiel auch um das temperaturgerechte
Lagern von Medikamenten und um bauliche Anpassungen, die
längerfristig angegangen werden müssten.

Aber warum haben Großstädter ein erhöhtes Risiko, an gesundheitlichen

Hitzefolgen zu leiden? Laut Jürgen Kropp, Leiter der Forschungsgruppe
Urbane Transformation am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
(PIK) in Potsdam, liegt das unter anderem am sogenannten urbanen
Wärmeinseleffekt. Denn der Beton speichert Wärme besser als
natürliche Materialien. Weil Wärme immer von einem wärmeren zum
kälteren System fließt, wird sie etwa von aufgeheizten Gebäuden an
die Umgebungsluft abgegeben, sobald die Temperaturen abends sinken.
Dann herrscht in Innenräumen, aber auch in Großstädten generell
selbst nachts eine höhere Temperatur als auf dem Land. Bei
Hitzewellen schwinden so die Chancen auf Erholung für den Körper.

Diesen Wärmeinseleffekt gab es grundsätzlich auch früher schon. Wie
etwa Autoren einer französischen Studie im «International Journal of
Environmental Research and Public Health» erwähnen, verstärken
häufigere und intensivere Hitzewellen aber das von dem Effekt
ausgehende Risiko für Stadtbewohner. Dies sei eine unmittelbare Folge
des Klimawandels.

Das Umweltbundesamt verweist auf seiner Webseite auf
Modellrechnungen, die für Deutschland prognostizieren, «dass
zukünftig mit einem Anstieg hitzebedingter Mortalität von 1 bis 6
Prozent pro einem Grad Celsius Temperaturanstieg zu rechnen ist, dies
entspräche über 5000 zusätzlichen Sterbefällen pro Jahr durch Hitze

bereits bis Mitte dieses Jahrhunderts».

Zwar gibt es laut Robert Koch-Institut (RKI) kein bundesweites
Überwachungssystem, das die Zahl hitzebedingter Sterbefälle in ganz
Deutschland erfasst. Berlin und Hessen schätzten 2018 nach
RKI-Angaben aber die Hitzetoten: Demnach starben in der Hauptstadt
rund 490 Menschen aufgrund der Hitzeeinwirkung, etwa 740 waren es in
Hessen.

Ganz besonders betrifft das die älteren Menschen, sagt die Ärztin
Nathalie Nidens, die bei der Deutschen Allianz Klimawandel und
Gesundheit (Klug) in Berlin im Bereich Hitzeschutz tätig ist. Der
Grund liegt auf der Hand: Das habe ganz mit dem natürlichen
Alterungsprozess zu tun, sagt Nidens. Ältere Menschen hätten ein
geringeres Durstgefühl, ihr Kreislaufsystem sei nicht mehr so
leistungsfähig. Hinzu komme der soziale Aspekt. Viele Ältere lebten
allein und hätten niemanden, der ihnen während der Hitzewellen helfen
könnte, sagt Klug-Mitarbeiterin Jelka Wickham. Besonders betroffen
seien aber auch die vielen wohnungslosen Menschen in Berlin,
Schwangere, Säuglinge, Kleinkinder und Vorerkrankte.

Die Bandbreite der gesundheitlichen Auswirkungen von Hitze ist groß.
Sie reiche von Schwindel und Erschöpfung über Schwellungen an Füßen

und im Extremfall auch bis zum Tod, erläutert die Ärztin. «In starken

Hitzeperioden steigt beispielsweise das Risiko für Herzinfarkte und
ein Herzinfarkt kann auch mit bleibenden Einschränkungen verbunden
sein», sagt Nidens.

Nun stellt sich also die Frage: Was können die besonders betroffenen
Großstädte tun? «Ein Aspekt ist sicherlich, die Städte mit Vegetati
on
zu versehen», sagt PIK-Professor Kropp. Denn Pflanzen - insbesondere
Bäume - verdunsten Wasser und kühlen so ihre unmittelbare Umgebung.
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) weist beispielsweise auch
immer wieder auf die positiven Auswirkungen von Dach- oder
Fassadenbegrünung hin.

Als eine weitere Maßnahme nennt Kropp den Holzbau. Holz sei ein
Isolator und gebe so etwa die aufgenommene Wärme nicht so stark in
Innenräume ab. Damit könne man etwa Bürogebäude bauen, die höher
sind
als 80 bis 100 Meter.

Wickham ist zwar auch für den Ausbau der Grünflächen und eine
veränderte Stadtinfrastruktur. Sie merkt aber an, dass dies
langfristige Maßnahmen seien, die viel Zeit zur Realisation
benötigten. Deshalb müssten auch kurzfristige Lösungen her. Dazu
gehöre vor allem die Information der Bevölkerung und die Einbindung
des Gesundheitswesens, wie etwa Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen,
sagt Wickham. Aber auch der Einsatz von Trinkwasserspendern oder das
Ausweisen von kühlen Orten in der Stadt sei wichtig.

Dabei betont Wickham: «All diese Maßnahmen sind nur ein Ausgleich für

das, was vorher schon schief gelaufen ist. Wir haben den Klimawandel
verursacht und das heißt, wir müssen gucken, dass wir jetzt Maßnahmen

zur Behebung dieses Fehlers ergreifen, die das ursprüngliche Problem
nicht verstärken.»