Divi-Präsident: Für Herbst Vorrat an Corona-Schutzausrüstung anlegen

Die Intensivmedizin in Deutschland stand wohl selten so im Fokus wie
während der Covid-19-Pandemie. Was sagt der Präsident der
entsprechenden Fachgesellschaft über die größten aktuellen Sorgen und

den Blick auf den Herbst?

Aachen/Berlin (dpa) - Zur Vorbereitung auf den Corona-Herbst hat ein
führender Intensivmediziner mehrere Punkte angemahnt: Wichtig sei die
Bevorratung von ausreichend Schutzausrüstung, auch wegen drohender
Lockdowns in China, sagte Gernot Marx, Präsident der Deutschen
Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin
(Divi). Mit Blick auf die medizinischen Teams müssten sich Kliniken
so aufstellen, dass sie bei Personalausfällen unterstützende Kräfte
heranziehen können.

«Außerdem müssen wir dringend die Telemedizin ausbauen», sagte Marx

der Deutschen Presse-Agentur vor dem Tag der Intensivmedizin an
diesem Samstag. Covid-19-Spezialisten könnten so aus der Ferne andere
Kliniken beraten, die Strukturen und Prozesse könnten aber auch
generell für andere Krankheiten genutzt werden. Ältere und
vorerkrankte Menschen rief der Direktor der Klinik für Operative
Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen
dazu auf, sich eine vierte Covid-19-Impfung geben zu lassen. Zudem
werde im Herbst die Grippeschutzimpfung bedeutsam, weil
Influenzaviren nach zwei sehr verhaltenen Saisons für eine
Zusatzbelastung sorgen könnten.

Die Zahl der Covid-Patienten auf Intensivstationen hierzulande bewegt
sich seit einigen Wochen zwischen 600 und 700 - Marx zufolge der
tiefste Stand seit Ende August 2021. «Die Zahl ist aber auch nicht so
niedrig wie in den vergangenen beiden Sommern.» In den Monaten Juni
bis August habe die Zahl der Betroffenen im Jahr 2020 bei rund 250
gelegenen, im Jahr 2021 zwischen 300 und 500.

Bis man mehr Klarheit über die Krankheitsschwere der Omikron-Sublinie
BA.5 habe, die sich in Deutschland derzeit ausbreitet, brauche es
noch einige Wochen Geduld. «Man muss abwarten, wie es sich entwickelt
mit BA.5», sagte Marx. Derzeit sei die «größte Sorge», dass im Zu
ge
der Sommerwelle mit der ansteckenderen Variante erneut viel Personal
durch Infektionen ausfallen könnte.

Die Bettenanzahl in der Intensivmedizin beschrieb Marx als recht
konstant in der letzten Zeit. In der Pandemie hätten aber zahlreiche
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Pflegebranche verlassen oder
Arbeitszeit reduziert. «Wir sind als Gesellschaft gefordert, die
Bedingungen zu ändern, so dass Menschen gut und gerne in der Pflege
arbeiten können.» Bereits in wenigen Jahren könnten aus Sicht von
Marx etwa robotische Assistenten die körperliche Belastung in dem Job
reduzieren helfen. Generell brauche es zudem für alle Mitarbeitenden
in den Kliniken psychosoziale Unterstützung, also Netzwerke von
Helfern für Helfende, um keine weiteren Mitarbeiter zu verlieren.

Das Divi-Intensivregister, in dem Zahlen zu Covid-19-Patienten auf
Intensivstationen, Kapazitäten und Belastung der Stationen
ausgewiesen werden, werde fortgeführt, kündigte Marx an. «Es hat uns

überhaupt erst Prognosen wie auch die Vorbereitung von strategischen
Verlegungen ermöglicht.» Verbessert werden müsse allerdings die
automatisierte Datenerfassung, noch laufe viel händisch. Zu der
häufig geäußerten Kritik an der fehlenden Unterscheidung zwischen
Erkrankten, die wegen Covid-19 behandelt werden, und Patienten mit
Corona-Nebenbefund sagte der Divi-Präsident: «Diese Frage ist
zumindest für die Steuerung der Intensivbetten wenig relevant. Bei
beiden Arten von Patienten sind die Infektionschutzmaßnahmen und
damit der Aufwand in den Krankenhäusern gleich.»