Streikaufrufe an Uniklinik zulässig - Gewerkschaft Verdi gestärkt Von Ulli Brünger, dpa

Das Arbeitsgericht Bonn hat einen Eilantrag der Uniklinik
zurückgewiesen, die gerichtlich weitere Streiks unterbinden lassen
wollte. Die Gewerkschaft Verdi und die Beschäftigten sehen sich
bestätigt und wollen weiterstreiken. Doch Ärzte warnen.

Bonn (dpa/lnw) - Rückschlag für die Kliniken, Rückenwind für die
Beschäftigten: Streikaufrufe der Gewerkschaft Verdi am Uniklinikum
Bonn (UKB) sind weiterhin zulässig. Das Arbeitsgericht Bonn wies
einen Eilantrag des Krankenhauses auf Unterlassung zurück, wie eine
Gerichtssprecherin der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag
mitteilte. Mit den Streiks macht die Gewerkschaft seit Wochen Druck
auf die Verhandlungen über einen Tarifvertrag zur Entlastung der
Beschäftigten. Doch eine Einigung ist nicht in Sicht.

Mit dem Eilrechtsschutzverfahren wollte die Uniklinik erreichen, dass
Verdi bis zum 17. Juni nicht mehr zum Streik der Klinikbeschäftigten
aufrufen darf. Aus Sicht des Klinikvorstandes verstößt der seit
Wochen anhaltende Arbeitskampf unter anderem gegen die
Friedenspflicht und ist rechtswidrig. Es sei aus medizinischer Sicht
und im Interesse der Patienten nicht mehr vertretbar, die Streiks
weiter hinzunehmen, begründete die Klinik den juristischen Vorstoß.

Dieser Ansicht mochte das Arbeitsgericht jedoch nicht folgen und
stärkte damit das Streikrecht der Beschäftigten. Die Forderungen der
Streikenden seien «hinreichend begründet», erklärte die
stellvertretende Vorsitzende Richterin. Die Versorgung der
Patientinnen und Patienten durch die Notdienstvereinbarungen mit den
Kliniken sei abgesichert, damit sei die Verhältnismäßigkeit gewahrt.

Ein Verstoß gegen die «relative Friedenspflicht» seitens der
Gewerkschaft und der Streikenden liege ebenfalls nicht vor.

Dementsprechend enttäuscht zeigte sich Professor Wolfgang Holzgreve,
Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKB. Man hätte sich
eine andere Entscheidung gewünscht. «Wir werden daher prüfen, ob wir

gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen. Ungeachtet dessen werden die
Gespräche mit Verdi über eine einvernehmliche Regelung zur Entlastung
des Pflegepersonals in der Hoffnung auf eine konstruktive Lösung
fortgesetzt», versprach der Klinikchef.

Verdi sieht ihre Position nun gestärkt: «Der Klinikvorstand sollte
die Entscheidung zum Anlass nehmen, den Konfrontationskurs gegen die
eigenen Beschäftigten zu beenden und am Verhandlungstisch für gute
Tarifregelungen zur Entlastung des Personals sorgen», sagte
Verdi-Landeschefin Gabriele Schmidt. Die Beschäftigten hätten
«keinerlei Verständnis für juristische Winkelzüge und
Einschüchterungsversuche». Das Grundrecht auf Streik gelte auch in
Krankenhäusern.

Die Gewerkschaft argumentierte, die Notfallversorgung der Patienten
sei durch die entsprechenden Notdienstverordnungen nicht gefährdet.
«Täglich sorgen die Streikleitungen vor Ort dafür, dass alle Notfäl
le
behandelt werden. So streiken wir weiter - spürbar und
verantwortungsvoll. Bis zu einer akzeptablen Einigung», kündigte
Schmidt an.

Die Direktoren der Kliniken für Unfallchirurgie sehen die
Notfallversorgung dagegen in ihrer Handlungsfähigkeit inzwischen
«hochgradig beeinträchtigt», wie die Deutsche Gesellschaft für
Unfallchirurgie (DGU) am Dienstag mitteilte. «Dauern die Streiks an,
droht der Kollaps der bestreikten Regionen in NRW.» Inzwischen seien
pro Uniklinik mehr als 300 Eingriffe bei Patientinnen und Patienten
aus der Unfallchirurgie abgelehnt oder in andere Einrichtungen
transferiert oder auf die Zeit nach dem Streik verschoben worden. Die
sechs Leitenden Ärzte und Uni-Professoren wandten sich in einem
Offenen Brief direkt an Verdi und forderten «eine rasche
einvernehmliche Rücknahme der drastischen Streikmaßnahmen während der

laufenden Verhandlungen».

Verdi fordert von sechs Unikliniken in NRW seit Monaten bessere
Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte und will einen Tarifvertrag
Entlastung, nicht nur für die direkt in der Pflege Beschäftigten,
sondern auch für weitere Kräfte beispielsweise in den Küchen oder den

Fahrdiensten aushandeln. Die Streiks sind mittlerweile in der siebten
Woche. Erneut bot die Gewerkschaft an, den Arbeitskampf durch eine
konstruktive Verhandlungslösung schnellstmöglich zu beenden. «Die
Tarifkommission ist bereit, bis zur Einigung durch zu verhandeln.
Darauf sollten sich endlich auch die Klinikvorstände konzentrieren»,
betonte Schmidt.

Parallel zur Arbeitsgerichtsentscheidung gingen die Proteste
unvermindert weiter. Vor der Uniklinik Bonn versammelten sich laut
Verdi rund tausend Demonstranten von den sechs NRW-Häusern auf dem
Venusberg und machten ihrem Ärger Luft. Anschließend zogen die
Beschäftigten in einem Demozug durch die Stadt bis zur
Abschlusskundgebung auf dem Münsterplatz.