Prognose zu Krankenkassen-Defizit heizt Debatte über Finanzierung an

Fehlen den Krankenkassen im kommenden Jahr 17 Milliarden Euro - oder
sind es sogar 25 Milliarden? Noch liegen die Prognosen weit
auseinander. Umso heftiger wird darüber diskutiert, was getan werden
soll.

Berlin (dpa) - Eine neue Prognose zum erwarteten Milliardendefizit
der gesetzlichen Krankenversicherung im kommenden Jahr hat den Ruf
nach mehr Steuermitteln für die Krankenkassen lauter werden lassen.
Nach Einschätzung des Instituts für Gesundheitsökonomik (IfG) drohen

der gesetzlichen Krankenversicherung im kommenden Jahr 25 Milliarden
Euro Defizit, wie die «Bild»-Zeitung (Dienstag) berichtete.
Vergangene Woche hatte der GKV-Spitzenverband mitgeteilt, für 2023
fehlten Stand heute 17 Milliarden Euro.

Der Unterschied komme zustande, weil er die hohe Inflation in seine
Berechnungen miteinbezogen habe, sagte IfG-Chef Günter Neubauer der
Deutschen Presse-Agentur. Diese treibe auch die Preise für Sachkosten
und Personal in die Höhe. Der «Bild»-Zeitung hatte Neubauer gesagt,
in den bisherigen Schätzungen «waren der Krieg in der Ukraine und die
Folgen noch nicht eingepreist». Neubauer: «Die Inflation lässt in
Praxen und Kliniken die Ausgaben steigen, während die Aussichten für
den Arbeitsmarkt im Herbst eher schlecht sind.»

Der Vorstandsvorsitzende der DAK Gesundheit, Andreas Storm, forderte
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in «Bild» zum Handeln
auf. «Lauterbach muss jetzt gemeinsam mit dem Bundesfinanzminister
den 70 Millionen Versicherten die Frage beantworten, ob und wie er
den drohenden Beitragstsunami noch verhindern will.» Die Branche
warte auf den angekündigten Gesetzesentwurf zur Stabilisierung der
Finanzen der gesetzlichen Kassen bereits seit drei Monaten, sagte
Storm.

Lauterbach hatte angesichts des erwarteten Milliardendefizits die
Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen bereits darauf vorbereitet,
dass 2023 die Beiträge steigen könnten. Im März sagte er, bei einem
erwarteten Defizit der Kassen von rund 17 Milliarden Euro im nächsten
Jahr lasse sich das nicht vollständig vermeiden.

Bereits die Vorstandschefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer,
hatte vergangene Woche grundlegend mehr finanzielle Stabilität
gefordert.

Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Tino Sorge,
forderte: «Die Bundesregierung muss (...) jetzt Maßnahmen ergreifen,
um Planungssicherheit für Bürgerinnen und Bürger sowie für die
Kranken- und Pflegekassen zu ermöglichen.» Lauterbach müsse einen
entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch meinte: «Höhere
Krankenkassenbeiträge im kommenden Jahr wären fatal.» Für Gering- u
nd
Normalverdiener seien sie unzumutbar. «Gesundheitsminister Lauterbach
sollte sich das Geld bei den Spitzenverdienern holen und Gering- und
Normalverdiener verschonen», sagte Bartsch der dpa. Nötig seien der
Einstieg in die Bürgerversicherung und eine gerechte Finanzierung des
Gesundheitssystems.»

Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander sagte: «Achselzuckend

die Beiträge steigen zu lassen, ist keine Lösung.» Die grundlegenden

Defizite im Gesundheitswesen dürften aber nicht mit
kreditfinanzierten Zuschüssen übertüncht werden.

DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel hingegen forderte: «Für eine
verlässliche Gesundheitsversorgung muss sich der Bund stärker an der
Finanzierung der Krankenkassen beteiligen.» Die Krankenkassen müssten
solide und krisenfest finanziert werden.