Pech für Umweltzonen-Bewohner: BGH verneint Klagerecht gegen Lkw Von Marco Krefting, dpa

Es ging am BGH um eine wegweisende Entscheidung: Wenn sich manche
nicht an die Fahrverbote halten, die Städte zur Reduzierung von
Abgasen und Schadstoffen eingerichtet haben, können Anwohner kaum
etwas dagegen unternehmen. Zurecht, entschied der BGH.

Karlsruhe (dpa) - Einmal mehr dicke Luft um Abgase: Mit Hilfe von
Umweltzonen und Durchfahrtsverboten für Lastwagen wollen Städte die
Schadstoffbelastung senken. Doch immer wieder halten sich Lkw-Fahrer
aus Sicht von Anwohnern nicht daran. Betroffene aus Stuttgart haben
sich durch die Gerichtsinstanzen geklagt - zugunsten der Gesundheit.
Zum ersten Mal musste der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe nun
klären, ob sie als Privatleute ein rechtliche Handhabe haben, dagegen
vorzugehen. Jedoch urteilten Deutschlands oberste Zivilrichter und
-richterinnen am Dienstag, «unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt»
stehe ihnen ein Unterlassungsanspruch zu. (Az. VI ZR 110/21)

Im konkreten Fall ging es um Lastwagen einer Speditionsfirma, die
eine Straße zum Stuttgarter Hafen nutzen, für die ein
Lkw-Durchfahrtsverbot gilt. Nur Lieferverkehr ist gemäß der
Beschilderung erlaubt. Mehrmals täglich nutzten die Laster die
Strecke aber als bloße Durchfahrt von der Niederlassung zur Autobahn
und verstießen so gegen das Verbot, behaupten die Kläger. Schon die
Vorinstanzen hatten entschieden, als einzelne Bürger beziehungsweise
Grundstücksanlieger könnten sie nicht gegen das Unternehmen vorgehen.

Der BGH betonte, das Lkw-Durchfahrtsverbot sei nicht für bestimmte
Straßen angeordnet worden, um die Schadstoffkonzentrationen für die
dortigen Anlieger zu reduzieren - sondern grundsätzlich für das
gesamte Stadtgebiet, um allgemein die Luftqualität zu verbessern und
der Überschreitung von Immissionsgrenzwerten entgegenzuwirken. «Die
Kläger sind insoweit nur als Teil der Allgemeinheit begünstigt.» Der

Schutz von Einzelinteressen sei also nicht die Absicht des Verbots.

Um das zu beurteilen, kommt es laut BGH nicht auf die Wirkung,
sondern auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte eines Gesetzes
an. Man müsse also schauen, ob der Gesetzgeber bei Erlass des
Gesetzes gerade einen Rechtsschutz zugunsten von Einzelpersonen oder
bestimmten Personenkreisen gewollt habe. Es reiche nicht aus, dass -
wie in diesem Fall - quasi nebenbei die individuelle Gesundheit
geschützt werden kann, wenn sich alle an das Gesetz halten.

Städte haben verschiedene Möglichkeiten, die Belastung durch Abgase
und Schadstoffe zu drosseln. Ein Beispiel sind Umweltzonen, in denen
nur Fahrzeuge fahren dürfen, die bestimmte Abgasstandards einhalten.
Hierfür gibt es Plaketten, die an der Windschutzscheibe angebracht
werden. Laut Umweltbundesamt gibt es in Deutschland 56 Umweltzonen.

Stuttgart beispielsweise hat im Zuge des Luftreinhalteplans neben der
Einführung der Umweltzone unter anderem ein Lkw-Durchfahrtsverbot
beschlossen. Es gilt seit März 2010 für Lkw über 3,5 Tonnen. Der
Lieferverkehr ist ausgenommen. So sollen Lkw, die die Stadt nur
durchqueren wollen, zu anderen Wegen gezwungen und infolgedessen die
Luftqualität in der Landeshauptstadt verbessert werden.

Zu den Klägern zählt ein Verein, der eine Kindertagesstätte mit
Spielplatz betreibt. Die Kläger argumentierten laut Urteil des
Stuttgarter Landgerichts, das Lkw-Durchfahrtsverbot diene als Teil
des Aktionsplans Luftreinhaltung der Stadt dem Gesundheitsschutz der
Bevölkerung. Nach der zugrundeliegenden EU-Richtlinie solle es für
weniger Feinstaub- und Stickoxidbelastung sorgen.

Die Spedition bestritt den Angaben nach, Fahrer angewiesen zu haben,
trotz des Verbots die Straße zu nutzen. Diese seien über die
Durchfahrtszone belehrt und angehalten worden, sich an die
Verkehrsregeln zu halten. Überdies handele es sich bei allen Fahrten
in und aus der Zone um Lieferverkehr, solange der Container-Ladeplatz
an der Niederlassung angefahren werde oder die Fahrt dort beginne.

Das Landgericht hatte seine Entscheidung unter anderem so begründet:
Eine nur abstrakte Gefahr für die Gesundheit der Anlieger reiche
nicht aus für Unterlassungsansprüche. Eine Körperverletzung oder
Gesundheitsschädigung der Kläger oder der ihnen anvertrauten Kinder
im Sinne einer Krankheit liege nicht vor. Auch sei der Beitrag der
Spedition zum Schadstoffausstoß nicht genau zu bemessen.