Mehr als 200 registrierte Fälle von Affenpocken in Deutschland

Vor gut drei Wochen wurde hierzulande der erste Patient mit
Affenpocken bekannt. Seitdem sind mehr als 200 Fälle hinzugekommen.
Eine Gefährdung der breiten Bevölkerung sieht das RKI aber nicht.

Berlin (dpa) - Die Zahl der beim Robert Koch-Institut (RKI) erfassten
Affenpocken-Nachweise in Deutschland ist auf mehr als 200 gestiegen.
Das RKI gab die Patientenzahl am Dienstag auf seiner Webseite mit
genau 229 an, nach rund 190 am Vortag. Weiterhin seien keine Fälle
bei Frauen und Kindern bekannt, teilte eine RKI-Sprecherin auf
Anfrage mit. Elf Bundesländer haben nach Angaben des Instituts
Betroffene der Viruserkrankung gemeldet. Besonders viele sind es in
Berlin, wo nach aktuellstem Stand von Montag 142 Fälle registriert
waren. Die Risiko-Einschätzung des RKI lautet weiterhin: «Eine
Gefährdung für die Gesundheit der breiten Bevölkerung in Deutschland

schätzt das RKI nach derzeitigen Erkenntnissen als gering ein.»

«Die Zahlen sind keine Überraschung und auch nicht erschreckend - die
Übertragung des Virus erfolgt nach derzeitigem Kenntnisstand, wie
erwartet, praktisch nur durch direkten Kontakt», teilte der Virologe
Gerd Sutter vom Institut für Infektionsmedizin und Zoonosen der
LMU München am Dienstag auf Anfrage mit. Das Ausbreitungstempo
beschrieb er als «relativ langsam». Mit der Impfung von
Kontaktpersonen beziehungsweise spezifischer Zielgruppen «sollte eine
Begrenzung des Ausbruchs weiterhin gut möglich sein», erwartet er.

Es gebe immer noch vereinzelte Übertragungen, «aber der Ausbruch hat
eher nicht die Eigenschaft, exponentiell wachsende Fallzahlen zu
entwickeln», teilte Timo Ulrichs, Experte für Globale Gesundheit an
der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin auf Anfrage
mit. Eine sexuell übertragbare Infektionserkrankung breite sich
langsamer aus als eine, bei der Erreger durch die Luft übertragen
werden. Seit Mai wurden Affenpocken bei Hunderten Menschen in
zahlreichen Ländern außerhalb Afrikas nachgewiesen.

«Dass die Affenpocken es überhaupt aus Afrika in die Welt geschafft
haben, war zwar erwartbar, aber hat in dieser Dynamik doch
überrascht», meint Ulrichs. Die nun dokumentierten Fälle in
Deutschland ließen sich durch verschiedene Maßnahmen gut begrenzen.
Dazu gehören eine flächendeckende und gute Aufklärung über
Übertragungswege und Schutzmöglichkeiten - dies entspreche im
Wesentlichen den Safer-Sex-Regeln - sowie gezielten Impfungen.

Wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kürzlich
angekündigt hatte, sollte ab 15. Juni Impfstoff bereitstehen. Die
Ständige Impfkommission (Stiko) hatte vorige Woche bekanntgegeben,
dass für bestimmte Gruppen der Pockenimpfstoff Imvanex empfohlen
werde. Dazu zählen etwa Erwachsene, die Kontakt zu Infizierten
hatten, und Männer, die gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte mit
wechselnden Partnern haben. Wegen zunächst begrenzter
Impfstoffverfügbarkeit hieß es, dass die Impfung bevorzugt Menschen
angeboten werden soll, die dem Virus ausgesetzt waren.

Die Europäische Union hat rund 110 000 Dosen Impfstoff gegen
Affenpocken gekauft. Wie die EU-Kommission mitteilte, wurde der
Vertrag mit dem Unternehmen Bavarian Nordic über 109 090 Dosen
Impfstoff der dritten Generation am Dienstag geschlossen. Bereits
Ende Juni sollten die ersten Dosen laut EU-Gesundheitskommissarin
Stella Kyriakides an die EU-Staaten geliefert werden. Derzeit gebe es
900 Affenpocken-Fälle in der EU, weltweit seien es rund 1400.

Affenpocken gelten verglichen mit den seit 1980 ausgerotteten Pocken
als weniger schwere Erkrankung. Experten hatten vor einer
Weiterverbreitung des Virus, etwa bei bevorstehenden Festivals und
Partys gewarnt. Die Inkubationszeit beträgt laut RKI 5 bis 21 Tage.
Die Symptome (darunter zum Beispiel Fieber und Hautausschlag)
verschwinden gewöhnlich innerhalb weniger Wochen von selbst, können
bei einigen Menschen aber zu medizinischen Komplikationen und in sehr
seltenen Fällen auch zum Tod führen.