Immer mehr Schüler mit Depressionen - wie kann Schule gegensteuern? Von Felix Müschen, dpa

Immer mehr Jugendliche leiden an Depressionen. Die Gründe dafür sind
vielfältig und durch die Pandemie nicht weniger geworden. Doch wie
kann die Schule den psychischen Erkrankungen vorbeugen?

München (dpa/lby) - An Bayerns Schulen gibt es seit Jahren einen
besorgniserregenden Trend: Immer mehr Schüler leiden an Depressionen.
Der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbandes Michael Schwägerl
fasste die Situation aus Sicht der Lehrer so zusammen: «63 Prozent
sehen im Vergleich zum letzten Schuljahr eine Verschlechterung mit
Blick auf die psychosozialen Probleme der Schülerinnen und Schüler.»

Nur noch sechs Prozent der Lehrer seien der Meinung, dass es in ihren
Klassen niemanden mit psychosozialem Unterstützungsbedarf gebe. «Das
ist ein deutlicher Ruf nach Hilfe.»

Gerade im ersten Coronajahr 2020 stieg die Zahl der ärztlichen
Erstbehandlungen in Bayern bei den 15- bis 17-Jährigen im Vergleich
zum Vorjahr um elf Prozent, teilte die Krankenkasse DAK schon im
vergangenen Jahr mit. Aktuellere Zahlen gibt es derzeit keine. Dabei
seien Mädchen mehr als doppelt so oft wie Jungen betroffen. Im ersten
Halbjahr 2020 nahmen im Freistaat die Klinikaufenthalte wegen
Depressionen im Vergleich zum Jahr 2019 um sechs Prozent zu. Doch was
sind die Gründe?

«Wer über längere Zeit Angst hat, entwickelt auch eine Gefährdung,

eine Depression zu bekommen», erklärt der Vorsitzende des
Landesverbands bayerischer Schulpsychologinnen und Schulpsychologen
in Bayern, Hans-Joachim Röthlein. Oft kippe dabei die Hilflosigkeit
in Hoffnungslosigkeit. Dabei könne die Anfälligkeit für Depressionen

entweder durch die Eltern weitergegeben worden sein oder durch äußere
Umstände entstehen.

Gerade die Lebenswelten Schule, Familie und soziale Medien haben laut
Röthlein den größten Einfluss auf die Entwicklung der Schülerinnen

und Schüler. Konflikte oder Verluste innerhalb der Familie sowie
Scheidungen können Ängste und schließlich Depressionen auslösen.
Ebenso entstünden psychische Erkrankungen bei Kindern und
Jugendlichen auch durch Leistungsdruck in der Schule, Mobbing sowie
gesellschaftlichen Druck durch Medien, Idole und Influencer.

Es gebe allerdings nie die eine Ursache für das Entwickeln von
Depressionen, betonte die Vizepräsidentin der Psychotherapeutenkammer
Bayern, Nicole Nagel. In der Corona-Pandemie seien vor allem die
Kinder in der Pubertät anfälliger gewesen - für diese sei die
Bestätigung von Gleichaltrigen besonders wichtig. Durch Schulausfall
und Kontaktbeschränkungen sei jedoch ein Austausch mit Kindern und
Jugendlichen im gleichen Alter eingeschränkt gewesen.

Armut, damit einhergehende finanzielle Sorgen und beengte
Wohnverhältnisse haben Nagel zufolge gerade in der Pandemie zu mehr
Konflikten innerhalb der Familien geführt. Dies führe bei Kindern und
Jugendlichen zu zusätzlichen Stresssituationen. Dabei sei Corona nur
ein Brennglas, das die sozialen Verhältnisse sichtbar mache.

Das Thema Depressionen sollte in der Schule behandelt werden, sagt
der Student Luca Zug. Zug gehört zu einer ehemaligen Schülergruppe
aus Taufkirchen, die im Jahr 2019 mit einer Petition forderte, dass
Aufklärung über Depression in den Schulunterricht eingebunden wird.
Die Gruppe sammelte über 44 000 Unterschriften. Ein zehn
Punkte-Programm des bayerischen Kultusministeriums zur Aufklärung von
Depressionen und Angststörungen ging den Petenten damals nicht weit
genug.

Im Abschlussbericht des Programms beschreibt das Ministerium unter
anderem eine vertiefte Zusammenarbeit von Schulpsychologen und
externen Experten. Ebenso seien fächer- und jahrgangsübergreifende
Bildungsziele wie Gesundheitsförderung oder Werteerziehung umgesetzt
worden. Ziel sei die nachhaltige Verankerung von Gesundheitsförderung
in den Schulen. Des weiteren solle das Thema Depression schon im
Lehramtsstudium berücksichtigt werden.

Doch all die Maßnahmen reichen den Petenten nicht aus. Neben
fehlenden verpflichtenden Veranstaltungen oder Projekttagen stehen
laut Zug den Kindern und Jugendlichen zu wenig Schulpsychologen zur
Verfügung. Nach Angaben des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen
und Psychologen kam im Jahr 2020 in Bayern auf 3730 Schülerinnen und
Schüler nur ein Psychologe.

Auch der Vorsitzende des bayerischen Schulpsychologenverbandes
Röthlein fordert mehr Vollzeitpsychologen. Zwar seien etwa die
Gymnasien im Freistaat flächendeckend mit Schulpsychologen versorgt,
diese würden aber gleichzeitig auch als Lehrer unterrichten. Ebenso
müssten die Aufgaben der Schulpsychologen klar definiert sein.

Die FDP ist vom Bericht des Kultusministeriums nicht überzeugt und
fordert mehr Einsatz für psychische Gesundheit an Schulen. «Corona
hat die Lage um ein Vielfaches verschärft. Psychische Probleme bei
Kindern und Jugendlichen haben weiter zugenommen», sagte der
Bildungspolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Matthias Fischbach.
Daher stehe das Thema nun auch am Dienstag auf der Tagesordnung der
Plenarsitzung im bayerischen Landtag.

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