Die Bienendoktoren - Wie sich Tierärzte um Bienengesundheit kümmern Von Vanessa Köneke, dpa

Bienen bestäuben Pflanzen und liefern Honig. Sie gehören damit zu den
wichtigsten Nutztieren in der Landwirtschaft. Inzwischen gibt es
sogar spezielle Fachtierärztinnen und -ärzte, die sich um die
Gesundheit der Bienen kümmern.

Berlin (dpa) - Wenn Hobby-Imker Björn Wilcken sich seine Bienenstöcke
anschaut, achtet er auf andere Dinge als viele Imker-Kollegen und
-Kolleginnen. Denn Wilcken ist Tierarzt und bald sogar Fachtierarzt
für Bienen - einer von nur gut einem Dutzend in Deutschland. «Bienen
zählen zu den wichtigsten Nutztieren», sagt Wilcken. Daher nehme das
Bewusstsein zu, dass man sich um ihre Gesundheit kümmern müsse.

Als angehender Fachtierarzt kümmert sich Wilcken nicht nur um die
eigenen Bienen. Er ist Amtstierarzt in Berlin. Sein Bienenfachwissen
braucht er zum Beispiel, wenn Imker mit ihren Bienenvölkern umziehen
möchten. «Ich muss zum Beispiel einschätzen können, ob es Anzeichen

der Amerikanischen Faulbrut gibt, damit sie keine Seuchen
umhertragen», sagt Wilcken. Seine Arbeit ist auch wichtig, damit
Honig ein sicheres Lebensmittel ist.

Während Bienen und Bienenhaltung sich wachsender Beliebtheit
erfreuen, sind die Bienenärzte noch eine kleine Gruppe. Gerade mal 17
auf Bienen spezialisierte Tierärztinnen und Tierärzte gibt es
bundesweit laut der Statistik der Bundestierärztekammer für das Jahr
2020. Davon haben neun einen Facharzttitel, die anderen acht eine
Zusatzbezeichnung «Bienen».

Viele von ihnen sind wie Björn Wilcken im Öffentlichen Dienst tätig
oder in Laboren. Kaum jemand hat eine typische Kleintierpraxis oder
eine Fahrpraxis. «Die Geschäftsidee der Bienenpraxis ist ehrenhaft,
aber unternehmerisch nicht sinnvoll», sagt Wilcken. Unter anderem
weil Imker Medikamente in der Regel frei beziehen könnten.

Auch die Arbeit als Bienendoktor gestaltet sich anders als bei Hund,
Katze, Pferd, Schwein oder Rind. Denn bei den speziellen Patienten
sind Blutuntersuchungen oder Abhören mit einem Stethoskop nicht
möglich. «Wir schauen uns weniger die Biene einzeln an, als mehr das
ganze Sozialgefüge inklusive Bienenstock», sagt Wilcken. Er achtet
auf Aspekte wie: Fliegen die Bienen ruhig oder aufgeregt? Haben sie
genügend Futter? Sind Waben verschimmelt? Legt die Königin genügend
Eier? Wie ist die Standortumgebung? Danach nimmt er gegebenenfalls
Proben: von Honig, Waben, Futterkranz oder auch toten Bienen.

Muss eine Krankheit behandelt werden, kann zum Beispiel ein
Gegenmittel im Bienenstock versprüht werden. Da es für Bienen aber
nur wenige Medikamente gibt, ist die Vorbeugung von Krankheiten
wichtig, etwa einem Befall mit Varroamilben. Dieser Parasit schwächt
die Bienen und kann zudem krankmachende Viren übertragen.

Dass Wilcken Bienenkrankheiten diagnostizieren und behandeln kann,
liegt an seinem eigenen Engagement. Traditionell werden Bienen in der
Tierarztausbildung nur als Teil der Parasitologie oder als Wahlfach
gelehrt, erzählt Heike Aupperle-Lellbach. Die Veterinärin war die
erste Fachtierärztin für Bienen in Deutschland. Als damals
wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Leipzig hat sie vor
einigen Jahren angestoßen, dass eine Ausbildung zum
Bienen-Fachtierarzt in Deutschland angeboten wird.

Aupperle-Lellbach beklagt, dass zum Beispiel bei neuen Gesetzen meist
nur Imker und Biologen gefragt würden. «Die machen einen super Job,
aber Tierseuchenbekämpfung, Lebensmittelrecht oder Arzneimittelrecht
sind veterinärmedizinische Themen.»

Um die Bedeutung der Biene im Veterinärwesen zu stärken, hat sie 2014
eine Fachgruppe für Bienen in der Deutschen Veterinärmedizinischen
Gesellschaft (DVG) angestoßen. Inzwischen leitet Björn Wilcken die
Gruppe. Auf der Website der Fachgruppe sind alle Kontaktdaten der
tierärztlichen Bienenexperten gelistet - in der Hoffnung, dass die
Veterinäre zum Beispiel bei der Bekämpfung der Amerikanischen
Faulbrut kontaktiert und miteinbezogen werden.

«Wir müssen uns aber eingestehen, dass wir nicht so viele Bienenärzte

haben, wie wir brauchen», sagt Wilcken. Laut Aupperle-Lellbach ließe
sich das ändern, wenn die Tierärztekammern individuellere Lösungen
ermöglichten, um Leistungen für die Facharztausbildung anzuerkennen.
Sie selbst konnte den Titel nach eigenen Angaben nur bekommen, weil
die Tierärztekammer ihr Selbststudium anerkannt hat - schließlich gab
es noch keine Ausbildung. Die Akademie für tierärztliche Fortbildung
(ATF) der Bundestierärztekammer bietet seit 2015 Fortbildungen für
Tierärztinnen und Tierärzte zu Bienenthemen an.

Dass Bienenexperten immer noch eher eine Rarität sind, ist nicht nur
in Deutschland so. «Bienenlehre bekommt in der EU im
veterinärmedizinischen Studium weniger Aufmerksamkeit als andere
Fachgebiete», schlussfolgerte eine internationale Forschergruppe in
einer 2019 erschienen Überblicksarbeit. Versuchstierkunde oder Fische
würden zum Beispiel stärker thematisiert. Dabei sei die
Bienensterblichkeit aufgrund verschiedener Einflüsse wie
Pestizideinsatz und Klimawandel groß. Eine Weiterbildung nach dem
Studium gibt es laut der Studie europaweit nur an 19 Einrichtungen.

Hobby-Imker und Amtsarzt Wilcken sieht die Bienenveterinäre aber auch
als Netzwerker, die ihre Expertise mit dem Wissen anderer
Bienenexperten verknüpfen wollen. «Die Biene ist ein zu vielfältiges

Wesen, um sie nur einer Berufsgruppe zuzuordnen», so Wilcken. «Wenn
jeder etwas mitbringt zum Buffet, dann wird es ein großartiger
Abend.»