Fehltage wegen psychischer Krankheiten in Bayern auf Rekordstand

Corona, Krieg, Inflation oder Schicksalsschläge - das alles kann
Menschen in die Knie zwingen. Entsprechend haben Krankschreibungen
wegen psychischer Probleme zuletzt zugenommen. Besonders bei einer
Gruppe, die gemeinhin als leistungsstark und lebensfroh gilt.

München (dpa/lby) - Bayerische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
haben im vergangenen Jahr so oft wie nie zuvor wegen psychischer
Krankheiten am Arbeitsplatz gefehlt. Am stärksten machten sich
Depressionen, Ängste oder chronische Erschöpfung bei Beschäftigten
aus dem Gesundheitswesen bemerkbar. Grundsätzlich hatten ältere
Erwerbstätige mehr Ausfallzeiten wegen Seelenleiden als jüngere, doch
ausgerechnet bei den jüngsten Berufstätigen gab es 2022 den stärksten

Anstieg. Das geht aus dem repräsentativen Psychreport Bayern der
Krankenkasse DAK hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Demnach stiegen die psychisch bedingten Fehltage auf der Arbeit um 7
Prozent auf 255 Fehltage je 100 Versicherter - und damit auf den
höchsten Wert seit Erhebung der Zahlen vor 25 Jahren. «Viele Menschen
mit psychischen Erkrankungen leiden besonders unter den anhaltenden
Belastungen von Corona, Krieg und Krisen», erläuterte die
DAK-Landeschefin Sophie Schwab. Im vergangenen Jahrzehnt nahm die
Zahl der Fehltage gar um 52 Prozent zu. Damit liegt Bayern aber immer
noch 15 Prozent unter dem Bundesschnitt.

Rein statistisch betrachtet war jeder psychisch erkrankte
Erwerbstätige im Freistaat im vergangenen Jahr 36,8 Tage lang
krankgeschrieben. Das sind 1,9 Tage weniger als im Vorjahr. Noch
immer bleiben Frauen öfter wegen psychischer Leiden der Arbeit fern
als Männer, doch die Lücke wird kleiner: Je 100 erwerbstätiger Frauen

legten die Fehltage im vergangenen Jahr um vier Prozent auf 304 zu,
während es bei den Männern einen Sprung um elf Prozent auf 212
Fehltage gab.

«Betroffene finden aktuell deutlich schwerer wieder in ihren
Berufsalltag zurück», erläuterte Schwab. Das habe auch mit
Stigmatisierung zu tun. «Die Menschen sprechen in der Familie und der
Arztpraxis mittlerweile zwar offener über Depressionen oder Ängste.
Aber in der Arbeitswelt müssen wir noch mehr tun, damit psychische
Probleme nicht tabuisiert werden.»

Die häufigste Diagnose bei den psychischen Krankschreibungen in
Bayern waren Depressionen. Während diese bei den Frauen leicht um 1,8
Prozent zurückgingen, stiegen sie bei den Männern um neun Prozent an.
Auf Platz zwei folgten Belastungs- und Anpassungsstörungen nach einem
belastenden Ereignis wie einem Todesfall. Sie legten bei Männern um
rund ein Viertel, bei Frauen um 15 Prozent zu. Andere neurotische
Störungen wie chronische Erschöpfung waren die dritthäufigste
Ausfallursache.

Besonders auffällig: In fast allen Altersgruppen legten die
Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen zu, doch junge Beschäftigte
zwischen 15 und 19 Jahren hatten den stärksten Anstieg. Auch bei den
unter 25-Jährigen zeigten sich deutliche Zuwächse. Am meisten legten
die Fehltage bei den jungen Männern unter 20 Jahren zu: Sie stiegen
um 82 Prozent, während der Zuwachs bei den gleichaltrigen Frauen 26
Prozent betrug.

Unter den Branchen sticht eine mit besonders hohen Fehlzeiten heraus:
Im Gesundheitswesen gab es 345 Fehltage je 100 Versicherte. Das waren
36 Prozent mehr als im Durchschnitt aller Branchen. Auch Beschäftigte
aus dem Bereich Holz, Papier, Druck und aus der IT-Branche lagen bei
den psychischen Fehlzeiten deutlich über dem Schnitt.

Für den Report wertete das IGES Institut nach Angaben der bundesweit
drittgrößten Krankenkasse die Daten von rund 345 000 DAK-versicherten
Beschäftigten in Bayern aus. Aufgrund der großen Datenbasis gelten
die Ergebnisse als repräsentativ.

Eine kleine Verzerrung kommt aber durch die neue elektronische
Krankmeldung zustande. Durch die direkte Übermittlung von den
Arztpraxen an die Kassen gibt es seit August 2022 einen kräftigen
Anstieg der sehr kurzen Krankschreibungen. Allerdings dauern
Krankschreibungen wegen psychischer Probleme nur selten einige wenige
Tage, so dass der neuerliche Anstieg der Fehlzeiten in diesem Bereich
nur geringfügig auf die elektronische Krankmeldung zurückzuführen
sei, so die Kasse.