Spülen mit Spänen - das Geschäft mit und auf Trockentoiletten Von Marco Krefting, dpa

Vor mehr als 40 Jahren verfasste Hundertwasser ein Manifest über die
«Scheißkultur» und konzipierte eine Humustoilette. Inzwischen gibt es

immer neue Anbieter von Trockenklos auf dem Markt. Doch bis mit
menschlichem Kot gedüngt werden kann, sind einige Hürden zu nehmen.

Titisee-Neustadt (dpa) - Ein Eimer voll Sägespäne soll den Klogang
der Zukunft begleiten. Er gehört zur Grundausstattung sogenannter
Komposttoiletten der Firma S'Klo aus Titisee-Neustadt im Schwarzwald
- und vergleichbarer Modelle anderer Anbieter. Fridolin Einwald und
Michael Heizmann bauen die Toilettenhäuschen selbst und bringen sie
auf Bestellung zum Beispiel zur Hochzeit, zur Firmenfeier oder
platzieren sie an einem Wanderweg. «Wir haben sehr viele naturnahe,
umweltbewusste Interessenten», sagt Einwald.

Die Idee ist vor allem, Wasser zu sparen: Statt nach dem verrichteten
Geschäft zu spülen, streut man Sägespäne drauf. Das soll verhindern
,
dass sich Fäkaliengeruch bildet. «Im schlimmsten Fall riecht es nach
Bauernhof», sagt Einwald. Sein Anliegen ist, kein Trinkwasser als
Spülwasser zu vergeuden. «Viele machen sich gar keine Gedanken, was
passiert, wenn wir auf den Spülknopf drücken.»

Fast 40 Liter pro Tag und Person entfallen laut
Bundesumweltministerium im Schnitt auf die Toilettenspülung, rund 30
Prozent des Trinkwasserverbrauchs. In Zeiten von Wassermangel werde
das Thema immer wichtiger, so Einwald. Bei einer Veranstaltung mit
100 Leuten könnten rechnerisch mit einem S'Klo bis zu 700 Liter
gespart werden. «Gerade in den kommenden Jahren werden wir uns
weltweit deutlich mehr Gedanken über die Nutzung und den Wert des
Trinkwassers machen müssen, und sollten dies soweit es geht schützen
und sparsam nutzen.»

Trockentoiletten an sich sind keine neue Erfindung, es gibt auch
welche mit Rindenmulch, Gesteinsmehl oder Holzkohle. In Ländern mit
weniger guter Sanitärinfrastruktur, Abwassersystemen und
Wasserversorgung - zum Beispiel in Afrika und Asien - werden sie
ebenfalls eingesetzt. Für ein solches Projekt haben Ingenieure der
Bauhaus-Universität Weimar vor einigen Jahren sogar mal einen
Verdienstorden der mongolischen Stadt Darchan erhalten. Ein anderes
Beispiel sind Trennklos, bei denen Fäkalien und Urin in separaten
Behältern gesammelt werden. So braucht man weniger Wasser zum Spülen.

Ganz dem Ökotrend folgend schonen die Trockentoiletten also nicht nur
die Ressource Wasser, sondern kommen auch ohne Chemie aus. Und wenn
es nach dem Willen mancher Hersteller geht, soll es sogar noch einen
Schritt weitergehen: So wollen etwa die S'Klo-Gründer Einwald und
Heizmann irgendwann die in Behältern gesammelten Hinterlassenschaften
nicht mehr zur Kläranlage bringen, sondern als natürlichen Dünger
verwenden. «Dann könnte man die Scheiße nutzen», sagt Heizmann.

Doch dem steht derzeit die Gesetzeslage entgegen. Menschliche
Exkremente dürften nach den abfallrechtlichen und düngerechtlichen
Bestimmungen nicht beispielsweise als eine Art Kompost genutzt
werden, teilt das Bundesumweltministerium mit. Dagegen spreche die
Gefahr, dass sich - gegebenenfalls resistente - Keime,
Krankheitserreger, Hormone und Arzneimittelrückstände aus dem Kot
verbreiten. Nicht ausgeschlossen werden könne darüber hinaus, dass
auch andere Materialien in die Komposttoilette gelangen, die
zusätzliche Schadstoffe und Fremdstoffe enthalten können.

Eine landwirtschaftliche und gärtnerische Nutzung von
Kompost-Düngemitteln erfolge grundsätzlich im besonders sensiblen
Bereich der Lebensmittel- und Futtermittelherstellung, argumentiert
das Ministerium. «Über die Nahrungskette ist mithin eine Aufnahme
beispielsweise von Arzneimittelrückständen und Hormonen durch
Menschen und Tiere nicht ausgeschlossen», hieß es. Diese unter
anderem seuchenhygienischen Aspekte müssten gelöst werden, bevor es
rechtliche Änderungen geben könne.

Dafür laufen Forschungsprojekte. So verweist das Ministerium
beispielsweise auf ein Versuchsprojekt der Firma Finizio aus
Eberswalde in Brandenburg. In einer Pilotanlage werde Humusdünger aus
menschlichen Exkrementen hergestellt. In einem Feldversuch sei dieser
auf Freilandflächen verteilt worden. «Dieses Versuchsprojekt wird
durch das Land Brandenburg mit EU-Mitteln gefördert.»

Von Finizio heißt es, dabei würden zahlreiche Proben unter anderem
des Bodens und der Pflanzen etwa auf pH-Wert, Salzgehalt und
allerhand chemischer Elemente und Verbindungen genommen. Die Ernte
der im Herbst ausgesäten Pflanzen ist für den Sommer geplant. Bis
endgültige Ergebnisse vorliegen wird es also noch eine Weile dauern.
Noch länger wären die nötigen Schritte für Gesetzesänderungen.

Das Ansinnen, aus menschlicher Fäzes - so der Fachbegriff für die
Ausscheidungen - Dünger zu machen, ist zwar erstmal eine einfach
klingende Idee. Aber dass diese nicht schnell umzusetzen ist, zeigt
ein Rückblick: Schon vor mehr als 40 Jahren verfasste der
österreichische Künstler Friedensreich Hundertwasser einen Text über

die «Scheißkultur», in dem es heißt: «Der Kreislauf vom Essen zur

Scheiße funktioniert. Der Kreislauf von der Scheiße zum Essen ist
unterbrochen.» Er konzipierte ebenfalls eine Humustoilette.

Auch wenn die Wortwahl manchem vielleicht als vulgär aufstößt,
erscheint sie in diesem Kontext doch naheliegend. Auch Heizmann von
S'Klo meint mit Blick auf die wachsende Zahl an Trockentoiletten: «So
spricht man wenigstens über den Scheiß.» Er und sein Kollege Einwal
d
hoffen, dass die Debatte Fahrt aufnimmt und womöglich die
wissenschaftliche wie politische Arbeit an dem Thema beschleunigt
wird. Dafür würden sie auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu einer Visite
in einem ihrer hölzernen Toilettenhäuschen einladen. «Er kann uns
gerne mal besuchen und sich das anschauen», sagt Heizmann.

Um auch auf die CO2-Bilanz zu achten, nutzen er und Einwald bei der
S'Klo-Produktion Sonnenenergie einer Photovoltaik-Anlage. Das Holz
stamme von regionalen Lieferanten. Die Hobel- und Sägespäne, die zum
«Spülen» genutzt werden, lieferten Sägewerke. Dort fielen sie als
Abfall- beziehungsweise Nebenprodukt an.

Was die Nutzung bisher angeht, erhält das Duo nach eigener Auskunft
viele positive Rückmeldungen. Und da sie die gefüllten Behälter alle

paar Tage selbst abholen, sehen sie auch, wie sorgsam und hygienisch
mit den Klos umgegangen wird: «Wirklich dreckig waren sie noch nie»,

berichtet Heizmann. «Und umgeschmissen wurde auch noch keine.»

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