Dreifachmord-Prozess: Ehefrau hoffte, Zahnarzt würde nur sich erschießen von Karen Katzke, dpa
Seitensprünge, Ehekrise und Gewalt - im Kieler Dreifachmordprozess
sagten weitere Zeugen aus. Die Ehefrau soll die tödlichen Schüsse
gefürchtet haben.
Kiel (dpa/lno) - Die Ehefrau des wegen Dreifachmordes angeklagten
Zahnarztes aus Westensee (Kreis Rendsburg-Eckernförde) hat sich von
ihrem Mann offenbar ganz akut bedroht gefühlt. Vor dem Kieler
Landgericht sagte am Donnerstag ein Zeuge, die 43-Jährige habe ihm
noch kurz vor ihrem Tod gesagt: «Hoffentlich erschießt er nur sich
selbst». Sie habe gesagt, dass ihr Ehemann sie verprügelte und ums
Haus schlich. Sie habe deshalb Kameras installieren lassen. «Auch ich
habe mir Sorgen gemacht», sagte der Zeuge.
Der Zeuge lernte die 43-Jährige demnach über Tinder kennen, wo sie
ihn gelikt habe. Auch er habe sich von dem Mann bedroht gefühlt,
sagte er. Denn der 48-Jährige sei sechs Tage, bevor die Frau ermordet
wurde, an seinem Haus vorbeigefahren, habe kurz gestoppt, böse durch
das Fenster geguckt und sei dann weiter gefahren. «Ich habe mich
bedroht gefühlt», sagte er. Die Beziehung zwischen ihm und der
43-Jährigen sei seinerseits vorsorglich reine Freundschaft ohne
körperliche Kontakte gewesen. Sie habe über ihre Probleme sprechen
wollen. Ob sie mehr wollte, könne er nicht sagen.
Zuvor hatten zwei Frauen ausgesagt, mit denen der Angeklagte Affären
gehabt haben soll. Die eine war frühere Arzthelferin des Zahnarztes,
mit der er in der Justizvollzugsanstalt Neumünster arbeitete. Die
andere war damals Beamtin in der JVA Kiel, in der der 48-Jährige
ebenfalls als Zahnarzt tätig war. Über mögliche intime Kontakte
wurden beide Zeuginnen zum Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte auf
Anordnung des Gerichts unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt.
Von der mutmaßlichen Affäre des Angeklagten mit der 45-jährigen
Arzthelferin soll die Ehefrau erfahren haben. Denn die Arzthelferin
soll auf einem Ball in der JVA Neumünster vor den Augen der Ehefrau
aus dem Glas des Zahnarztes getrunken haben. Zudem soll die Ehefrau
Sex zwischen beiden heimlich auf einem Tonband in der Praxis ihres
Mannes mitgeschnitten und abgehört haben. Die Seitensprünge ihres
Mannes und darüber hinaus seine spätere Gewalttätigkeit im November
2020 gegen seine Ehefrau sollen zur Trennung und der Katastrophe
geführt haben.
Im öffentlichen Teil beschrieben die beiden Frauen den Zahnarzt als
bis zur Selbstaufgabe «empathisch und absolut übertrieben
hilfsbereit». Ihm sei aber «alles über den Kopf gewachsen», sagte d
ie
Arzthelferin, die von 2015 bis 2020 für ihn in der JVA Neumünster und
seiner Praxis arbeitete. Das Anstellungsverhältnis endete demnach,
als die Ehefrau hinter den Ehebruch kam. Der Zahnarzt sei hoch
verschuldet gewesen. Er habe nicht gewusst, wie er die neue Praxis in
Gang bringen solle und beklagt, dass seine Ehefrau sich mehr um ihre
Pferde als um die vier gemeinsamen Kinder kümmere. Sie habe mit
seiner Zustimmung wieder ihr Zahnarzt-Studium aufgenommen. Er dagegen
habe sich um die Minderjährigen gekümmert.
Angesichts seiner Hilfsbereitschaft auch gegenüber allen anderen habe
sie ihm gesagt: «Du bist zu gut für diese Welt», berichtete die Frau
unter Tränen. Im Hinblick auf den angeklagten dreifachen Mord sagte
sie: «Er kann mitfühlen, deshalb verstehe ich das nicht. So kenn' ich
ihn nicht.» Sie habe allerdings auch beobachtet, dass «er nach außen
lächelte, aber die Faust in der Tasche ballte».
Die zweite Zeugin, die in der JVA Kiel arbeitete, während auch der
Angeklagte dort tätig war, berichtete, dass auch sie den Mann als
«fürsorglichen Vater» wahrnahm, der sich um die Kinder sorgte und
beklagte, sie seien oftmals allein. Sie habe auch die Ehefrau
gekannt, die erzählt habe, dass sie Angst habe, dass «er sie
erschießen würde, weil er so viele Waffen habe, auch Waffen, von
denen niemand weiß». Auch die Herkunft der Maschinenpistole, mit der
ihr Mann sie und ihren neuen Bekannten erschossen haben soll, ist
nach Angaben des Gerichtes immer noch ungeklärt.
Nach Worten der Zeugin stellte sich die Ehefrau nach dessen
Gewaltübergriff im November 2020 «ihre Zukunft ohne ihren Mann vor».
Beide hätten darüber gescherzt, dass die Ehefrau sich auf einer
Kontaktplattform im Internet angemeldet hatte und darüber, wer sie
schon mit vier Kindern nehmen würde. Ihr Mann erfuhr nach
Zeugenaussagen davon und reagierte unter anderem damit, dass er seine
Frau überwachte und einen GPS-Sender an ihrem Wagen installierte.
Am 19. Mai 2021 verfolgte er sie laut Anklage in einem Leihwagen zu
ihrem neuen Bekannten nach Dänischenhagen, dessen Grundstück er zuvor
ausspioniert haben soll. Dort soll er die 43-Jährige und den zehn
Jahre älteren Bekannten mit einer Maschinenpistole erschossen und
danach in Kiel noch einen gemeinsamen Bekannten des Ehepaares getötet
haben - mit einer halbautomatischen Pistole. Mit dieser Waffe stellte
er sich am Tatabend in Hamburg der Polizei.
Der Prozess wird fortgesetzt.
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