Von Fällen und Wellen - zwei Jahre Corona in Niedersachsen und Bremen Von Christopher Weckwerth, dpa

Die ersten Corona-Infektionen am 29. Februar 2020 ließen sich noch
exakt nachverfolgen. Davon kann bei mittlerweile mehr als einer
Million Fälle in Niedersachsen und Bremen keine Rede mehr sein. Wie
haben sich die Länder in zwei Jahren Pandemie geschlagen?

Hannover (dpa/lni) - Der Pfleger Lenard Bornemann hat hautnah
miterlebt, wie sich die Betten auf den Intensivstationen im Auf und
Ab der Corona-Wellen füllten und dann wieder leerten. Der 24-Jährige
arbeitet an der Universitätsmedizin Göttingen. Am schlimmsten sei für

ihn die Masse an Misserfolgen und hoffnungslosen Fällen gewesen, sagt
er - die schwer kranken Corona-Patienten, die er nicht habe retten
können. «Das hat auf Dauer auch privat was mit einem gemacht.» In
seiner Freizeit habe er viel Zeit gebraucht, um das Erlebte zu
verarbeiten. Oft träumte er von der Arbeit.

Von schlaflosen Nächten berichtet auch Olaf Stamsen, der in
Wilhelmshaven drei kleine Hotels betreibt. Seine Branche sei
zeitweise einem Berufsverbot ausgesetzt gewesen, sagt der 56-Jährige.
Er spricht von täglicher Existenzangst, verbunden mit der andauernden
Frage: «Wann kann ich endlich wieder normal meinen Job machen?»

Zwei Stimmen nach zwei Jahren Pandemie: Egal, ob Lehrer oder Schüler,
Unternehmer oder Angestellte, Verkäufer oder Kunden, Pflegekräfte
oder Pflegebedürftige - es gibt wohl kaum Menschen, deren Leben das
Virus nicht auf den Kopf gestellt hat.

Etwa eine Million Infektionen hat das Robert Koch-Institut
mittlerweile aus Niedersachsen erfasst. Rund 7400 Menschen starben an
oder mit Corona. Rund 112 000 Ansteckungen gab es auch im Nachbarland
Bremen, ebenso wie mehr als 670 weitere Todesfälle.

Begonnen hatte alles in Niedersachsen, «als die Skifahrer aus
Österreich zurückkamen», erzählte die damalige Gesundheitsministeri
n
Carola Reimann (SPD) wenige Wochen nach dem landesweit ersten
Corona-Fall. Bei einem 68-jährigen Mann aus Uetze in der Region
Hannover war am 29. Februar 2020 die Infektion bestätigt worden. Er
hatte sich in Südtirol Biathlon angeschaut. Am selben Tag
verzeichnete Bremen seinen ersten Corona-Fall.

Seither hat das Virus verschiedene Wandlungen durchlaufen,
sprichwörtlich wie im übertragenen Sinne mit seinen Folgen. Wie
unsicher, und wohl auch unvorbereitet, Politik und Gesellschaft auf
die wachsende Krise im Laufe der Pandemie immer wieder reagierten,
machen zwei Zitate aus der Anfangsphase deutlich. «Es greift eine
Angst um sich, für die es keinen wirklichen Grund gibt», sagte
Gesundheitsministerin Reimann noch am 5. März 2020, als es die ersten
Fälle im Land schon gab. Nach allem, was man wisse, sei Corona eine
Erkrankung, die meistens leicht verlaufe und gut behandelt werden
könne, «wenn sie denn überhaupt behandelt werden muss».

Keine vier Wochen später warnte sie dagegen vor dem Ruf nach einer
Lockerung der ersten Kontaktverbote. «Dieses Gerede setzt wirklich
das Leben von vielen Tausend Menschen aufs Spiel», sagte sie.

Dass Corona in der Tat nicht nach ein paar Monaten erledigt sein
würde, darauf hat Niedersachsens Landesregierung unterdessen schon
frühzeitig eingestimmt. «Von ein bis zwei Jahren» sei die Rede, sagte

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im März 2020. Zwei Jahre später

ist klar: Ein Ende ist immer noch nicht in Sicht.

Was ist seither passiert? Wie hat sich Niedersachsen in der
Krisenbewältigung geschlagen? Insgesamt galt das Land nie als
Hotspot, von einzelnen Ausreißern wie Ausbrüchen in Schlachthöfen, in

einem Wohnkomplex in Göttingen oder nach einem Restaurantbesuch in
Ostfriesland einmal abgesehen. Die Infektionszahlen lagen, verglichen
mit dem Rest Deutschlands, meist unter Durchschnitt. Das von
Regierungschef Weil oft beschworene «Team Vorsicht», es hat sich
weitestgehend bewährt.

In Erinnerung sind aber auch die Anlaufschwierigkeiten bei der
Impfkampagne. In den ersten Monaten 2021 hinkte das Land im Rennen um
die schnellsten Impfungen hinterher. Und dann gingen die Briefe, mit
denen die Regierung ältere Menschen über die Impfungen informieren
wollte, zum Teil auch noch an Empfänger, die schon seit Jahrzehnten
nicht mehr lebten.

Dieses schlechte Bild hat sich mittlerweile gedreht: Mit rund 78
Prozent der Einwohner, die mindestens einmal geimpft sind, und mehr
als 61 Prozent, die eine Auffrischungsimpfung erhalten haben, weist
Niedersachsen Impfquoten vor, die nur wenige Länder übertreffen -
auch wenn das Tempo zuletzt merklich nachgelassen hat.

«Impfen, bis die Nadel glüht», das ist und war auch das Motto von
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). Der
Zwei-Städte-Staat glänzt mit der bundesweit höchsten Impfquote von
rund 90 Prozent. Auch wenn Impfungen von Nicht-Bremern dabei
mitgezählt wurden: Niedrigschwellige Angebote, Impftrucks,
mehrsprachige Aufklärung und Kooperationen mit Unternehmen beim
Aufbau großer Impfzentren - dieses Konzept brachte Bremen viel Lob.

Auch wirtschaftlich kommen Niedersachsen und Bremen bisher glimpflich
durch die Krise. Mit rund 6,5 Milliarden Euro haben Bund und Land
mehr als 250 000 niedersächsischen Unternehmen unter die Arme
gegriffen. Die Arbeitslosenquote von 5,3 Prozent liegt wieder auf dem
Vor-Corona-Niveau - ebenso wie in Bremen mit 10,3 Prozent.

Und die B-Note, der politische Stil der Regierung? Hier sieht die
Opposition in Niedersachsen viel Luft nach oben. Das Regieren per
Dekret, in Form der ständig wechselnden Corona-Verordnungen, mit nur
geringer Beteiligung des Parlaments, stieß insbesondere der FDP immer
wieder übel auf. Auch die Kommunikation, was wann wo für wen gilt,
sei oft mangelhaft gewesen, hieß es. Außerdem fehle eine Strategie,
die über eine Jahreszeit hinausblickt, bemängelten etwa die Grünen.

Einen Ausblick auf den kommenden Herbst gibt Ministerpräsident Weil
derzeit indes immer wieder. Mit einer neuen, der nächsten
Corona-Welle sei absolut zu rechnen, mahnt er - trotz der jetzt
anstehenden Lockerungen, die er als «Frühlingserwachen» tituliert.
Was das für die Menschen bedeutet, und wie die Regierung sich konkret
darauf vorbereiten will, dazu sind jedoch noch viele Fragen offen.

Nur vorsichtig optimistisch äußert sich auch Bremens Bürgermeister.
«Schon oft meinten wir am Horizont das Ende der Pandemie zu sehen,
und regelmäßig hat sich dies dann als Fata Morgana erwiesen», sagte
Bovenschulte jüngst in einer Regierungserklärung.

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