Untererfassung bei Impfnebenwirkungen? Kasse stößt auf Widerspruch
Eine Krankenkasse behauptet, dass es viel mehr Nebenwirkungen der
Corona-Impfungen gibt als in der offiziellen Statistik auftauchen. An
den Daten gibt es Kritik, auch aus dem eigenen Haus.
Berlin/Langen (dpa) - Um mögliche Nebenwirkungen von Impfstoffen noch
besser zu analysieren, sollen die offiziellen Impfquoten in einer
Studie mit Daten der Krankenkassen verknüpft werden. Sie solle
zeitnah starten, teilte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) am Donnerstag
in Langen mit. Die Krankenkasse BKK Provita will nach einer Analyse
von Versichertendaten auf erheblich höhere Zahlen bei Nebenwirkungen
der Corona-Impfstoffe gekommen sein als offiziell gelistet.
«Unsere Analyse zeigt, dass wir es hier mit einer deutlichen
Untererfassung zu tun haben» sagte BKK-Provita-Vorstand Andreas
Schöfbeck der «Welt» (Donnerstag). Die offiziellen Zahlen zu den
unerwünschten Impfnebenwirkungen müssten «dringend plausibilisiert
werden». In einem Schreiben an PEI-Präsident Paul Cichutek nennt
Schöfbeck der Zeitung zufolge die Auswertung ein «erhebliches
Alarmsignal, das unbedingt beim weiteren Einsatz der Impfstoffe
berücksichtigt werden muss».
Dem PEI liegt der Brief nach eigenen Angaben seit Dienstag vor. Man
könne die Daten nicht beurteilen, «da das Institut bislang keinen
Zugang zu den Originaldaten hat und ihm außerdem keine Informationen
zur Auswertungsmethode vorliegen». Die Angaben im Schreiben seien
«allgemein und unspezifisch». So werde nicht angegeben, wie viele
Fälle sich auf leichte und wie viele auf - meldepflichtige -
schwerwiegende Reaktionen beziehen. Generell seien Abrechnungsdaten
nicht mit Nebenwirkungen gleichzusetzen. «Darüber hinaus ist aus dem
Schreiben nicht zu entnehmen, ob tatsächlich ein ursächlicher
Zusammenhang mit der Impfung festgestellt worden ist.»
Man sei hellhörig geworden, als im Fallmanagement der BKK Provita
immer öfter Diagnosen aufgetreten seien, die auf Impfnebenwirkungen
schließen ließen, berichtete die Kasse. Daraufhin habe man die
Datenpools aller BKK-Kassen ausgewertet und alle für
Impfnebenwirkungen vorgesehenen Diagnose-Codierungen herausgefiltert.
Der BKK Dachverband teilte allerdings per Twitter mit, «dass die
Daten nicht wie gemeldet vom BKK Dachverband stammen». Inhaltlich
wollte der Dachverband keine Stellung nehmen.
Die BKK Provita behauptet in einer Analyse, die der «Welt» vorlag,
dass alleine in den ersten sieben Monaten des Jahres 2021 seien
216 695 BKK-Versicherte wegen Nebenwirkungen durch Impfstoffe
behandelt wurden. Die Daten bezögen sich auf 10,9 Millionen
Versicherte. Zum Vergleich: Bis Ende 2021 verzeichnete das PEI auf
Basis von 61,4 Millionen Geimpften lediglich 244 576
Nebenwirkungsmeldungen. Zur Art und Schwere der Beschwerden könne man
nichts sagen: «Klar ist nur: Es ist den Leuten so schlecht gegangen,
dass sie zum Arzt gegangen sind.»
Der Virchowbund, der niedergelassene Ärztinnen und Ärzte vertritt,
kritisierte die «Schwurbel-BKK»: Es handle sich entweder um
«peinliches Unwissen oder hinterlistige Täuschungsabsicht». Die
Schlussfolgerungen aus der Datenlage seien «kompletter Unfug», sagte
Bundesvorsitzender Dirk Heinrich. Die BKK Provita vermische zwei
völlig unterschiedliche Bereiche: die ärztliche Diagnose-Codierung
und die Meldung an das PEI. «Offenbar will man vor allem Werbung in
der impfkritischen Klientel machen.»
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