Impfpflicht-Pläne werden konkreter - Virologe Stöhr ist skeptisch
Wie eine allgemeine Corona-Impfpflicht aussehen könnte, wird nun
klarer. Abgeordnete haben ihre Pläne skizziert. Doch nach wie vor
gibt es auch Skeptiker einer Impfpflicht - auch unter Virologen.
Berlin (dpa) - Politiker und Gesundheitsexperten diskutieren weiter
kontrovers über eine allgemeine Corona-Impfpflicht in Deutschland.
Der Virologe Klaus Stöhr hält so eine Impfpflicht gegenwärtig «nich
t
für zielführend». Dagegen sprach sich der Vorstandsvorsitzende des
Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, für eine Impfpflicht aus.
«Mir scheint der Antrag für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 auf
zwei Jahre befristet der Vernünftigste zu sein», sagte er der
«Rheinischen Post» (Samstag). Unklar seien ihm noch die Sanktionen
für dann immer noch Ungeimpfte. «Zwangsimpfungen wird es nicht geben
- dazu stehen Ärztinnen und Ärzte nicht zur Verfügung. Deswegen kommt
es auch hier auf die handwerkliche Qualität des Gesetzes an», sagte
Montgomery.
Mehrere Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP schlagen in einem
Eckpunktepapier vor, dass eine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18
«mit dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland» gelten soll. Sie wäre mit
drei Impfungen erfüllt und befristet bis Ende nächsten Jahres. Wer
keinen Nachweis erbringt, dem sollen den Plänen zufolge Bußgelder
drohen, zur Not auch mehrfach. Auf sogenannte Erzwingungshaft solle
verzichtet werden. Über die mögliche Einführung einer Impfpflicht
wird voraussichtlich im März im Bundestag abgestimmt. Die
Abgeordneten sollen ohne Fraktionszwang ihre Stimme abgeben und
können sich parteiübergreifenden Gruppenanträgen anschließen.
In einem anderen Antrag sprechen sich Parlamentarier um den
FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann für einen Mittelweg aus - sie
befürworten ein verpflichtendes professionelles und persönliches
Beratungsgespräch für alle volljährigen Ungeimpften. Sollte damit
nach gewisser Zeit die nötige Impfquote nicht erreicht werden, könnte
eine Pflicht ab 50 greifen. Eine Gruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki
will dagegen eine Impfpflicht generell verhindern. Auch die AfD hat
einen Antrag gegen eine Impfpflicht vorgelegt.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd
Landsberg, sagte der «Rheinischen Post» (Samstag): Wenn eine
Impfpflicht, dann für alle Erwachsenen, nicht nur für die Älteren.»
Eine Impfpflicht sei aber nur dann vernünftig, wenn sie auch
vernünftig umgesetzt werden könne. «Vorher muss unbedingt
geklärt werden, wie die Impfpflicht kontrolliert werden soll.»
Der Virologe Stöhr sagte der «Fuldaer Zeitung» (Samstag), generell
könne eine Impfpflicht ein gutes Mittel sein, um Impfquoten zu
erhöhen. «Aber sie ist nicht alternativlos», meinte er. «Dazu kommt
,
dass sie auch nicht ohne Nebenwirkungen ist.» Stöhr riet, mehr
Soziologen und Psychologen einzubinden, um mit einem besseren Wissen
über die Impfskeptiker zielgerichtet Impfangebote machen zu können.
Viele Menschen, die sich nicht impfen ließen, seien eher
Impfskeptiker als Impfgegner, meinte Stöhr. «Wenn man weiß, um welche
Bevölkerungsschichten es sich da handelt, kann man diese gezielt
ansprechen.» Er gab auch zu bedenken, dass eine Impfpflicht nicht vor
dem Winterende greifen würde. «Sie käme damit für diese Saison zu
spät. Mit der Omikron-Welle werden unter Umständen 40 bis 50 Prozent
eine natürliche Immunität erlangen.»
Montgomery übte unterdessen scharfe Kritik am bereits beschlossenen
Gesetz zur Einführung einer einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht.
«Wie kann man ein solches Gesetz machen und sich dann nicht um die
Möglichkeit einer sinnvollen Anwendung und Durchführung kümmern? Die
handwerkliche Qualität der Gesetzgebung dieser Regierung ist hier
mangelhaft», sagte er der «Rheinischen Post».
Beschäftigte in Einrichtungen mit schutzbedürftigen Menschen wie
Kliniken und Pflegeheime müssen bis zum 15. März 2022 nachweisen,
dass sie gegen Corona geimpft oder von Corona genesen sind.
Gesundheitsämter hatten erklärt, sich mit der Kontrolle der
einrichtungsbezogenen Impfpflicht überfordert zu sehen.
Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen
Gesundheitsdienstes (BVÖGD) teilte mit, er unterstütze zwar die
einrichtungsbezogene Impfpflicht, verwies aber auf die Belastung der
Gesundheitsämter. Diese gingen davon aus, dass im Durchschnitt bis zu
zehn Prozent der Beschäftigten keinen eindeutigen Impf- oder
Genesenennachweis vorlegen könnten und deshalb an das Gesundheitsamt
gemeldet würden. Der Gesetzgeber sei gefordert, für die Umsetzung der
Impfpflicht die Zuständigkeiten, Verfahrensabläufe und Bewertungen zu
klären und einheitlich für die Länder und Kommunen zu regeln.
Das Robert Koch-Institut (RKI) hat derweil einen weiteren Anstieg der
bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz gemeldet und damit erneut einen
Höchstwert. Das RKI gab den Wert der Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner und Woche am Samstagmorgen mit 1388,0 an.
Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 1349,5 gelegen. Vor einer
Woche lag die bundesweite Inzidenz bei 1127,7 (Vormonat: 258,6). Die
Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages
217 815 Corona-Neuinfektionen. Das geht aus Zahlen hervor, die den
Stand des RKI-Dashboards von 04.57 Uhr wiedergeben. Vor einer Woche
waren es 189 166 Ansteckungen.
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