Giffey schließt «Arbeitsquarantäne» bei Personalnot nicht aus
Was tun, wenn in Berlin immer mehr Mitarbeiter bei Polizei,
Wasserwerken oder im Gesundheitswesen coronabedingt ausfallen? Die
Regierende Bürgermeisterin hält dann eine gewagte Notfallmaßnahme f
ür
möglich.
Berlin (dpa/bb) - Bei erheblichem Personalausfall wegen der
Corona-Pandemie schließt Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska
Giffey nicht aus, dass Infizierte ohne Symptome dann weiterarbeiten
könnten. Das gelte auch für den Gesundheitsbereich. «Es geht hier
wirklich um den Not-Not-Notfall. Aber es ist immer ein
Abwägungsprozess», sagte die SPD-Politikerin am Montag im
RBB-Inforadio.
«Und wenn wir eine Situation haben, in der wirklich massiv Personal
ausfällt und die gesundheitliche Versorgung in Notfällen in Frage
steht, dann muss man sich darüber Gedanken machen», sagte Giffey.
«Wir sind da nicht, aber man kann in dieser Situation, in der wir
gerade sind, nichts kategorisch ausschließen.»
Giffey hatte zum Thema Arbeitsquarantäne zuvor der «Bild am Sonntag»
gesagt, es sei denkbar, Infizierte ohne Symptome etwa im Wasserwerk
oder bei der Feuerwehr arbeiten zu lassen, wenn es dort coronabedingt
zu sehr großen Personalengpässen komme. Für die Arbeit im Krankenhaus
oder in der Pflege sei das aber nur im äußersten Notfall vorstellbar.
Im Interview mit dem RBB sagte die Regierende Bürgermeisterin, noch
sei der Punkt nicht erreicht, über solche Maßnahmen nachdenken zu
müssen, was die kritische Infrastruktur in Berlin angehe. Der
Personalausfall sei beherrschbar. «Wir haben nach wie vor
durchschnittlich 15 Prozent.» Bis zu 30 Prozent seien durch
Umorganisation und Angebotsreduzierung zu stemmen.
Es gehe aber um die Frage, wie reagiert werden solle, wenn die
Infektionszahlen weiter hochgingen. «Und deswegen glaube ich schon,
dass man die Frage beantworten können muss, was passiert eigentlich,
wenn mehr als 30 Prozent der Personen ausfallen, die in der
kritischen Infrastruktur tätig sind», sagte die Senatschefin. «Wir
haben die Grundversorgung der Bevölkerung zu sichern.» Das gelte für
die Wasserversorgung genau wie für Stromversorgung, Versorgung mit
Nahrungsmitteln oder den ÖPNV.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der unter anderem
Stadtwerke, Wasserwerke und Betriebe der Abfallwirtschaft vertritt,
findet die Überlegungen richtig: «Bevor es zum Ernstfall kommt,
brauchen wir schnellstmöglich Schützenhilfe von der Politik», sagte
Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. «Konkret sollte zum Beispiel
der Einsatz von symptomlosen Infizierten in Schlüsselpositionen
erlaubt sein.»
Aus Sicht der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ist das Thema
Arbeitsquarantäne derzeit keine Option. «Wir müssen uns diese
Möglichkeit in Ruhe angucken», sagte BVG-Sprecher Johannes Schwentu.
«Aktuell haben wir die Fahrpläne so angepasst, dass wir
zuversichtlich sind, dass wir sie in den nächsten Wochen auch fahren
können.» Es gebe zwar erhöhte Krankenstände, aber nicht auf
dramatischem Niveau. «Wir beobachten die Situation, haben aber im
Moment keine Arbeitsquarantäne im Blick.»
Bei den Berliner Wasserbetrieben ist aktuell ebenfalls noch kein
Bedarf absehbar, wegen großer Personalengpässe Infizierte ohne
Symptome arbeiten zu lassen. Das komme rein theoretisch infrage,
sagte ihr Sprecher Stephan Natz. Der Personalausfall sei aber
überschaubar. «Ende letzter Woche waren es rund 80 Infizierte von
4650.» Es habe in der vorigen Woche außerdem keine Steigerung der
Infiziertenzahlen gegeben, sondern sogar einen leichten Rückgang.
Und im Vergleich etwa zur Feuerwehr oder den Berliner
Verkehrsbetrieben sei das Unternehmen ganz anders organisiert. «Wir
sind hochgradig automatisiert. Für das akute Funktionieren des
Kerngeschäfts brauchen wir nur wenige hundert Leute», erklärte Natz.
«Kritisch sind bei uns nur wenige Bereiche. Das seien die Leitstellen
für die Wasser-, Klär- und Pumpwerke, die Störungsdienste und kleine
Bereiche der Instandhaltung und des Labors.
Der stellvertretende Geschäftsführer der Berliner
Krankenhausgesellschaft, Oliver Heide, sagte, das Szenario,
Infizierte ohne Symptome im Gesundheitswesen arbeiten zu lassen, sei
bisher noch nicht diskutiert worden. Ein Charité-Sprecher bemerkte,
auch wenn die Zahl der infizierten Beschäftigten steige, gebe es
aktuell keine Notwendigkeit, die bisherige Regelung zu ändern,
positiv Getestete nicht arbeiten zu lassen. «Wir begrüßen eine
vorausschauende Entwicklung von Notplänen in der dynamischen
Pandemiephase und orientieren uns an den rechtlichen Vorgaben, die
Isolation und Quarantäne regeln.»
Hintergrund sind die rapide gestiegenen Corona-Infektionszahlen im
Zuge der Ausbreitung der Virusvariante Omikron. Es gibt Sorgen, dass
bei einem weiteren starken Anstieg wichtige Versorgungsbereiche von
großen Personalausfällen beeinträchtigt werden könnten.
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