Pro und Contra Corona-Impfpflicht - Bundestag beginnt Beratungen
Impfpflicht oder keine Impfpflicht - diese Frage erhitzt die Gemüter.
Und der Bundestag ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, wie sich in
der Orientierungsdebatte zeigt.
Berlin (dpa) - Die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht im Kampf
gegen die Corona-Pandemie ist im Bundestag hoch umstritten. In einer
ersten ausführlichen Debatte über diese gesellschaftlich brisante
Frage prallten am Mittwoch die Meinungen von Befürwortern und Gegnern
aufeinander. Prominente Befürworter wie Bundesgesundheitsminister
Karl Lauterbach (SPD) sahen darin den einzigen Weg zum Überwinden der
Pandemie. Gegner wie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki oder
Gregor Gysi von der Linken hielten eine Impfpflicht dagegen für
untauglich, unverhältnismäßig und gefährlich für das Vertrauen in
die
Demokratie. In der leidenschaftlich, aber weitgehend sachlich
geführten Debatte lehnte nur die AfD eine Impfpflicht generell ab.
Lauterbach warb eindringlich für das Impfen und warnte davor, die
Frage einer Impfpflicht jetzt nicht zu klären. Eine Umsetzung dauere
mindestens fünf bis sechs Monate. «Wenn wir die Impfpflicht jetzt
beschließen und dann umsetzen, dann sind wir im Herbst gerüstet. Wenn
wir das Problem vor uns wegschieben, dann wird das Problem in voller
Stärke zurückkommen.» Dies könne man Kindern, Pflegekräften, Är
zten
und gefährdeten Menschen nicht weiter zumuten. «Wir müssen handeln.
»
Ohne Impfung werde man «nicht zurückkommen zu dem Leben, was wir
geliebt und geschätzt haben».
Auch Impfpflichtgegner wie Kubicki bekannten sich ausdrücklich zum
Impfen. «Es gibt gute Gründe für eine Impfung, die für eine
Impfpflicht überzeugen mich nicht», sagte der stellvertretende
FDP-Vorsitzende. Es gehe bei der Debatte im Kern auch um den
Minderheitenschutz, der durch eine Impfpflicht berührt würde. «Ich
möchte jedenfalls nicht, dass die Mehrheit für die Minderheit
festlegt, was man als vernünftig anzusehen hat, und was man nach
Mehrheitsmeinung tun muss, um solidarisch zu sein.»
Der Orientierungsdebatte lag kein konkreter Gesetzentwurf zugrunde.
Bislang zeichnen sich drei Modelle ab: eine allgemeine Impfpflicht ab
18 Jahren, eine Impfpflicht ab 50 Jahren und der Verzicht auf eine
Impfpflicht. Diese bezieht sich ausschließlich auf das Coronavirus.
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Dagmar Schmidt,
plädierte für die Impfpflicht ab 18. «Die Impfpflicht ist ein
milderes Mittel als die Gefährdung der Gesundheit durch Durchseuchung
und auch als weitere Einschränkungen, die vor allem Kinder und
Jugendliche, aber viele andere mehr treffen mit harten Folgen.» Man
könne die Pandemie auch einfach laufen lassen, sagte Schmidt. «Das
führt irgendwann zu einer Grundimmunität. Vorher aber führt es zu
vielen Toten, Kranken und Long-Covid-Patienten.»
Die Grünen-Abgeordnete Kirsten Kappert-Gonther argumentierte ähnlich:
«Impfen ist der Weg aus der Pandemie.» Der Linke-Abgeordnete Gysi
warnte dagegen vor einer Vertiefung der Spaltung der Gesellschaft.
«Weil Impfen wichtig ist, müssen wir einen anderen Weg gehen:
Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung!» Statt einer Impfpflicht benö
tige
man deutlich mehr Vertrauen. «Sonst wird die Demokratie immer mehr
Schaden nehmen.» Der FDP-Politiker Andrew Ullmann plädierte für
verpflichtende Aufklärungsgespräche für Impfskeptiker.
Bundesjustizminister Marco Buschmann plädierte dafür, vor einer
Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht zunächst alle milderen
Alternativen zu prüfen. «Ich traue mir da heute keine abschließende
Meinung zu», sagte er als FDP-Bundestagsabgeordneter. Es sei auch
denkbar, dass sich die Frage durch wirksame Medikamente erledige.
Die Abgeordneten der CDU/CSU hielten sich deutlich mit einer eigenen
Positionierung zurück. Sie kritisierten vor allem vehement, dass die
Ampel-Regierung keinen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Die
Vize-Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) sprach von
«Arbeitsverweigerung» und monierte: «Die Ampel ist in der Frage der
Impfpflicht führungs- und orientierungslos.» Die geplante Vielzahl
von unterschiedlichen Anträgen im Parlament zeichne ein Bild der
Planlosigkeit und führe zu Verunsicherung in der Bevölkerung.
Der CDU-Abgeordnete Tino Sorge warf Gesundheitsminister Lauterbach
ein Versteckspiel vor. Er habe sich geweigert, einen eigenen
Vorschlag zu unterbreiten, auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) gebe keine
Richtung vor. «Man spielt so lange Verstecken und hofft, dass
irgendjemand ein Konzept zur Impfpflicht vorlegt, wenn man nur lange
genug darauf wartet.» Die Unionsabgeordneten forderten das Anlegen
eines Impfregisters.
Die AfD lehnte eine Impfpflicht sowohl für einzelne Berufsgruppen wie
auch allgemein «vollständig» ab. Fraktionschef Tino Chrupalla sagte,
man sei an einem Punkt angelangt, an dem Impfstoffe schon fast eine
religiöse Stellung erhielten. «Wer nicht glaubt und von seinem
Grundrecht auf Selbstbestimmung gebraucht macht, ist automatisch
ausgeschlossen.» Die zweite Fraktionsvorsitzende Alice Weidel warnte:
«Wenn der Staat sich anmaßt, über die Körper seiner Bürger zu
entscheiden, ist das ein elementarer Zivilisationsbruch.» Es gebe für
eine Impfpflicht keine Rechtfertigung: «weder medizinisch, noch
ethisch noch juristisch». Man müsse mit dem Virus leben.
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