Beschluss mit offenen Fragen - Bund und Länder ändern Teststrategie
Sie sind der «Goldstandard»: PCR-Tests sind beim Corona-Nachweis
absolut sicher. Doch angesichts der explodierenden Infiziertenzahl
werden sie knapp. Daher nehmen Bund und Länder nun Risiken in Kauf.
Berlin (dpa) - Die Bund-Länder-Vereinbarung zur Änderung der
Corona-Teststrategie hinterlässt viele offene Fragen und stößt auch
auf Kritik. Der Vorwurf von Fachleuten, Verbänden und
Oppositionspolitikern nach den Beratungen von Kanzler Olaf Scholz
(SPD) mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der
Länder vom Montag: unausgegoren, in den Details unklar, womöglich zu
leichtsinnig.
Was sagen die Labore dazu?
Der Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) rief die
Politik zu Gesprächen über die angestrebte Ausweitung der
PCR-Testkapazitäten auf. «Wir müssten wissen, um wie viel die
Kapazität erhöht werden soll und in welchem Zeitraum», sagte der
Vorsitzende Michael Müller der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe um
Geräte, um Mitarbeiter und auch die Frage, was passiere, wenn die
höhere Kapazität aufgebaut und dann im Zweifel nicht benötigt werde.
Beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erklärte er: «Wir können
die Kapazitäten nicht beliebig von heute auf morgen ausbauen.» Der
Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Laborärzte, Andreas
Bobrowski, sagte der «Welt», der Mangel an Laborpersonal lasse sich
vorerst auch nicht beheben.
Gibt es PCR-Alternativen?
Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Janosch
Dahmen, hat bereits vorgeschlagen, PCR-Tests künftig im
Pool-Verfahren auszuwerten. Deutschland hinke wegen seiner Strategie
der Einzelauswertung anderen Staaten hinterher, sagte er derselben
Zeitung. Beim Pool-Verfahren werden mehrere Proben gleichzeitig
geprüft, wenn der Befund positiv ist, werden alle Tests nochmal
einzeln ausgewertet. Das bindet weniger Kapazitäten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte dazu in der ARD
mit Blick auf die Vorgängerregierung: «Dieses Verfahren ist vor einem
Jahr nicht vorbereitet worden, darum können wir darauf jetzt nicht
zurückgreifen.»
Der Deutsche Städtetag schlug vor, zur Erweiterung der
PCR-Kapazitäten auf sogenannte POC-PCR-Tests zu setzen, die ohne
Labor auskommen und schnelle Ergebnisse liefern sollen. «Dafür müsste
dann aber auch die Finanzierung für diese Test verbessert werden»,
sagte Städtetagspräsident Markus Lewe der Deutschen Presse-Agentur.
Was haben Bund und Länder beschlossen?
Wegen der sprunghaft steigenden Infektionszahlen reichen die
derzeitigen Kapazitäten für die besonderes genauen PCR-Tests nicht
mehr aus. Bund und Länder haben deshalb vereinbart, deren Einsatz auf
Menschen aus Corona-Risikogruppen und Beschäftigte zu konzentrieren,
die sie betreuen und behandeln - in Kliniken, Pflegeheimen und
Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Zum Freitesten aus der
Kontaktpersonen-Quarantäne oder Infizierten-Isolation sollen
zertifizierte Antigen-Schnelltests reichen, die jedoch als weniger
zuverlässig gelten.
Sind Schnelltests denn ausreichend sicher?
Lauterbach sagte: «Wenn zwei Antigentests hintereinander positiv
sind, dann ist das fast so sicher wie ein PCR-Test.» Es komme nur
«ganz selten» vor, dass sie ein falsches Ergebnis lieferten.
Der Laborärzte-Vertreter Müller sieht das anders:
«Antigen-Schnelltests bieten zum Freitesten nicht genügend
Sicherheit. Wir sehen in unserem Laboralltag zu viele falsche
Schnelltestergebnisse und empfehlen daher das konsequente Freitesten
im PCR-Verfahren.»
Auch der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb liegt auf dieser Linie. «Es
ist problematisch, dass sich Klinik- und Pflegepersonal in Zukunft
mit einem Antigentest nach sieben Tage freitesten kann», sagte er dem
RND. «Ich halte es für sinnvoll, dass in diesen sensiblen Bereichen
weiterhin PCR-Tests verwendet werden.»
Was sagt die Opposition?
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus besteht sogar für alle Bürger auf
PCR-Testmöglichkeiten, trotz der Engpässe. «Alle Bürger müssen be
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Corona-Verdacht oder Infektion, aber auch nach überstandener
Corona-Infektion die Möglichkeit haben, durch einen PCR-Test
Gewissheit zu bekommen», verlangte er in den Zeitungen der
Funke-Mediengruppe. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nannte es
«nicht befriedigend», dass die PCR-Testkapazitäten nicht ausreichen.
Die jetzt beschlossene Priorisierung bedeute, dass ab diesem
Zeitpunkt «wir keine Ahnung haben, wie hoch die Infektionszahl
wirklich ist», sagte er in den ARD-«Tagesthemen».
Für Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch ist die neue Teststrategie
«kein Durchbruch zur wirksamen Bekämpfung der Pandemie, sondern ein
einziges Kommunikationschaos», wie er den Funke-Zeitungen sagte.
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