Bußgeld und Befristung: Pläne für Impfpflicht nehmen Konturen an Von Michael Fischer, dpa

Für wen soll eine Impfpflicht genau gelten? Welche Sanktionen sind
geplant? Und mit wie vielen Impfungen ist die Pflicht erfüllt? Diese
Fragen müssen im Bundestag noch geklärt werden. Jetzt gibt es
konkrete Vorschläge dazu.

Berlin (dpa) - Wenige Tage vor den ersten Beratungen über eine
Corona-Impfpflicht im Bundestag nehmen die Pläne der Befürworter
Konturen an. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk
Wiese, der zusammen mit anderen Abgeordneten der Ampel-Koalition
Eckpunkte einer Impfpflicht ab 18 Jahren vorbereitet, nennt jetzt
Einzelheiten der Pläne: Die Pflicht sollte auf ein bis zwei Jahre
befristet sein, für nicht mehr als drei Impfungen gelten und über
Bußgelder durchgesetzt werden, sagt der Innen- und Rechtspolitiker
der Deutschen Presse-Agentur. Auf ein Impfregister will er wegen des
zu großen Zeitaufwands verzichten und Ausnahmen vom Amtsarzt
kontrollieren lassen.

Wiese hatte am Freitag zusammen mit sechs Politikern von Grünen und
FDP in einem Brief an alle Bundestagsabgeordneten außer denen der AfD
einen Gruppenantrag für eine Impfpflicht ab 18 angekündigt. Es ist
der Antrag, hinter den sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
stellen dürfte, der eine Impfpflicht ab 18 bereits befürwortet hat.
In der «Süddeutschen Zeitung» warb Scholz am Wochenende noch einmal
dafür: «Ohne eine Impfpflicht wird es uns nicht gelingen, die Quote
auf das Niveau zu bringen, das nötig ist, damit wir die Pandemie
hinter uns lassen können.» Statt der derzeitigen Impfquote von 75,4
Prozent bei den Erstimpfungen seien 90 Prozent nötig.

Das sind die konkreten Pläne für die Impfpflicht ab 18:

Pflicht für nur drei Impfungen

Zwei, drei oder am Ende sogar noch mehr Spritzen? Es muss geklärt
werden, wie viele Impfungen für die Erfüllung der Pflicht notwendig
sind. Im Gruppenantrag der Koalitionsabgeordneten dürfte die Zahl
drei stehen. «Auf der Grundlage der aktuellen Studien kann man sagen,
dass man mit drei Impfungen eine gute Grundimmunisierung gegen einen
schweren Verlauf erreicht hat», sagt Wiese. Sollte später eine
weitere Boosterimpfung für Ältere oder Menschen mit Vorerkrankung
sinnvoll erscheinen, sollte sie freiwillig sein.

Befristung auf ein bis zwei Jahre

«Diese Impfpflicht sollte nicht für immer gelten», sagt Wiese. «Es

kann sein, dass wir irgendwann eine so hohe Grundimmunität haben,
dass man die Impfpflicht nicht mehr braucht.» Bei der Länge der Frist
wollen sich die Abgeordneten auf den Rat von Experten verlassen. «Es
werden aber sicherlich nicht nur wenige Monate sein, sondern eher ein
bis zwei Jahre.»

Bußgeld als Hauptsanktion

Und über welche Sanktionen sollen Ungeimpfte zur Impfung bewegt
werden? Wiese und Dahmen sind für Bußgelder und gegen Zwangsmaßnahm
en
wie eine Erzwingungshaft. Nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
haben Bußgelder eine Höhe von fünf bis 1000 Euro, «wenn das Gesetz

nichts anderes bestimmt». Sie könnten für die Impfpflicht also auch
noch höher festgelegt werden. Der Grünen-Politiker Janosch Dahmen,
der Mitinitiator des Gruppenantrags der Ampel-Abgeordneten ist,
befürwortete in der «Bild am Sonntag» einen «mittleren dreistellige
n
Bereich». Bei Nichtzahlung könnte man nach Wieses Ansicht ein
individuelles Zwangsgeld in Betracht ziehen. «So könnte man bei der
Höhe dann auch die persönlichen Lebensverhältnisse berücksichtigen.
»
Die Obergrenze für ein Zwangsgeld liegt nach dem
Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz bei 25 000 Euro.

Impfregister? Aus Zeitgründen nicht praktikabel

Die Umsetzung der Impfpflicht könnte über die Erfassung von Impfungen
in einem zentralen Register erfolgen. Dessen Aufbau ist aber
aufwendig und es gibt Bedenken von Datenschützern. «Für die aktuelle

Debatte ist das aus zeitlichen Gründen nicht sinnvoll», sagt Wiese.
Die Impfpflicht sei ja dazu gedacht, über den nächsten Herbst und
Winter zu kommen. Der Aufbau eines Impfregisters würde dafür zu lange
dauern. «Es gibt ein paar Ideen, wie man die Bürgerinnen und Bürger
trotzdem anschreiben kann: über die Krankenkassen oder auch über die
Kommunen, die die Meldedaten haben», sagt Wiese.

Amtsarzt soll Ausnahmen kontrollieren

Diejenigen, bei denen gesundheitliche Gründe gegen eine Impfung
sprechen, werden von der Pflicht befreit. «Da bin ich dafür, dass das
dann aber nicht der Hausarzt bestätigt, sondern der Amtsarzt», sagt
Wiese. Hintergrund ist, dass es auch unter den Ärzten Impfgegner
gibt, bei denen die Befürchtung besteht, dass sie sehr großzügig
Ausnahmebescheinigungen vergeben könnten.

Zeitplan: gültig im Sommer

Die Entscheidung im Bundestag soll vor Ende März fallen. Danach muss
das Impfpflichtgesetz noch in den Bundesrat, bevor es in Kraft tritt.
Anschließend soll es eine Art Schonfrist geben, in der sich die
Ungeimpften immunisieren lassen können, um Sanktionen zu entgehen.
«Der Zeitraum von gut drei Monaten bei der einrichtungsbezogenen
Impfpflicht könnte da Orientierung bieten», sagt Wiese. Unter dem
Strich würde das bedeuten: Stimmt der Bundestag im März zu, greift
die Impfpflicht irgendwann zwischen Juni und August. 

Was macht die Konkurrenz?

Das Konzept der Koalitionsabgeordneten ist nicht konkurrenzlos. Der
FDP-Politiker Andrew Ullmann bereitet einen Antrag für eine
Impfpflicht ab 50 vor. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki
(FDP) hat bereits einen gegen die Impfpflicht vorgelegt. Er
befürchtet Chaos bei der Umsetzung der Pflicht. Viele Impfgegner
könnten sich trotz Bußgelds verweigern, meint er. «Ein Staat, der
nicht umsetzen kann, was er anordnet, gibt sich der Lächerlichkeit
preis. Und das wäre Wasser auf die Mühlen der
Verschwörungstheoretiker und Corona-Leugner», sagte der FDP-Politiker
laut «Bild am Sonntag». Am Montag wollen sich die zuständigen
Unions-Experten positionieren

Und wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?

Eine deutliche Mehrheit ist weiter für die Impfpflicht. Aber die
Zustimmung nimmt nach einer YouGov-Umfrage im Auftrag der Deutschen
Presse-Agentur leicht ab. Danach befürworten 60 Prozent die Pflicht,
32 Prozent sind dagegen, 8 Prozent machen keine Angaben. Anfang
Dezember waren noch 63 Prozent dafür und nur 30 Prozent dagegen.