Corona-Inzidenz über 800 - Expertenrat: Weitere Schritte vorbereiten

An diesem Montag wollen die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler
Scholz über die weitere Strategie im Kampf gegen die Omikron-Welle
beraten. Der Expertenrat der Bundesregierung empfiehlt, sich für
einen weiteren starken Anstieg der Infektionszahlen zu wappnen.

Berlin (dpa) - Die Corona-Zahlen in Deutschland steigen weiter steil
an. Die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen hat erstmals die
Schwelle von 800 überschritten. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab
sie am Sonntagmorgen mit 806,8 an. Am Vortag hatte die Inzidenz bei
772,7 gelegen, vor einer Woche bei 515,7. Die Gesundheitsämter
meldeten dem RKI binnen eines Tages 85 440 Corona-Neuinfektionen. Der
Expertenrat der Bundesregierung fordert angesichts der rasanten
Ausbreitung der Omikron-Variante Vorbereitungen für weitere Schritte.
Bund und Länder wollen an diesem Montag über die weitere Strategie
beraten.

Experten rechnen damit, dass immer mehr Infektionen nicht erfasst
werden können, unter anderem, weil Testkapazitäten und
Gesundheitsämter zunehmend am Limit sind. In Krankenhäusern und
anderen Bereichen der kritischen Infrastruktur drohen infolge eines
hohen Krankenstandes und Quarantäne bereits erhebliche
Personalengpässe, zum Teil sind diese bereits eingetreten. Omikron
gilt als besonders ansteckend, die Krankheitsverläufe sind nach
Einschätzung vieler Experten aber milder.

Die Ministerpräsidenten der Länder wollen an diesem Montag mit
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über die weiteren Schritten beraten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sich mehrfach
dafür ausgesprochen, die bestehenden Maßnahmen derzeit beizubehalten.
Der Expertenrat der Bundesregierung stellt sich hinter diese Linie,
plädiert aber dafür, sich für einen weiteren Anstieg der
Infektionszahlen zu wappnen.

«Das hochdynamische Infektionsgeschehen erfordert aktuell eine
Beibehaltung und strikte Umsetzung der bisherigen Maßnahmen», heißt
es in einer am Samstagabend veröffentlichten Stellungnahme des
Gremiums. Wenn infolge weiter steigender Inzidenzen kritische Marken
etwa bei Klinikeinweisungen erreicht würden, könnten weitergehende
Maßnahmen zur Infektionskontrolle nötig werden. «Diese sollten daher

jetzt so vorbereitet werden, dass sie ohne Verzögerung umgesetzt
werden können.»

Sowohl Kontaktbeschränkungen als auch Booster-Impfungen seien
notwendig, um die Dynamik der aktuellen Welle zu bremsen und das
Gesundheitssystem und die kritische Infrastruktur zu schützen, heißt
es in der einstimmig gefassten Empfehlung der 19 Ratsmitglieder. Auf
eine Intensivierung der Booster-Kampagne sei daher Wert zu legen.

Durch die bestehende Kontaktreduktionen und das besonnene Verhalten
der Bürger sei der international beobachtete steile Anstieg der
Infektionszahlen in Deutschland zunächst verlangsamt worden. Der
Expertenrat erwartet aber einen weiteren Anstieg. In der Spitze
könnten Sieben-Tages-Inzidenzen «von mehreren Tausend regional
erreicht werden». Das Ausmaß der Klinikbelastung werde entscheidend
von den Inzidenzen bei ungeimpften Erwachsenen und den über
50-Jährigen abhängen. Noch seien diese vergleichsweise niedrig, es
seien aber Infektionen in die Gruppe der Älteren eingetragen worden.

Mit Zunahme der Grundimmunität in der Bevölkerung und Abnahme der
Neuinfektionszahlen und Hospitalisierungsinzidenzen sollten die
Kontaktbeschränkungen wieder stufenweise zurückgefahren werden.
Langfristig sei es dringend erforderlich, «die verbliebenen
Immunitätslücken in der Gesellschaft durch Impfungen zu schließen, da

ansonsten zyklisch mit erneuten starken Infektions- und
Erkrankungswellen zu rechnen ist.»

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) mahnte zur
Geduld. «Ein Signal zu großflächigen, pauschalen Lockerungen käme i
m
Moment noch zu früh», sagte der Vorsitzende der
Ministerpräsidentenkonferenz dem «Tagesspiegel» (Sonntag). «Immer
noch sterben rund 1500 Menschen pro Woche an Corona, das Personal in
den Krankenhäusern ist komplett ausgelaugt - das kann uns doch nicht
kalt lassen.» In Handel und Gastronomie stehe eine Lockerung der 2G-
und 2G-Plus-Regeln für ihn derzeit nicht zur Debatte.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte, einen Stufenplan für
Lockerungen zu entwickeln. Es müsse «bereits jetzt eine Exitstrategie
vorbereitet werden», sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). «In den Nachbarländern können
wir verfolgen, dass die Pandemie irgendwann ihren Höhepunkt erreicht
haben wird und dann die Zahlen drastisch und schnell wieder sinken.»