Wieder Proteste gegen Corona-Politik - Demonstranten auch vor SWR

Jedes Wochenende das gleiche Bild: In Deutschland, aber auch in
anderen europäischen Ländern demonstrieren Tausende Menschen gegen
die Corona-Maßnahmen. Der Grünen-Politiker Nouripour kann einige von
ihnen verstehen.

Berlin/Brüssel (dpa) - Aus Protest gegen die staatliche
Corona-Politik sind am Wochenende erneut Tausende Menschen in
Deutschland auf die Straße gegangen. Vielerorts stellten sich ihnen
Gegendemonstranten entgegen. Dabei blieb es weitgehend friedlich. In
Erfurt setzte die Polizei am Samstag Pfefferspray ein, um einen
Weitermarsch eines Protestzuges gegen die Corona-Politik in Richtung
Landtag zu verhindern, wie das Lagezentrum mitteilte. In Stuttgart
protestierten Demonstranten vor dem Gebäude des Südwestrundfunks
(SWR) gegen die Berichterstattung der Medien über die Pandemie.

In der belgischen Hauptstadt Brüssel demonstrierten am Sonntag nach
Schätzungen der Polizei rund 50 000 Menschen gegen die
Corona-Auflagen. Insgesamt seien mindestens 70 Personen festgenommen
worden, unter anderem wegen Sachbeschädigung oder Mitführung
gefähricher oder illegaler Gegenstände, hieß es in einer
Polizeimitteilung. Drei Polizisten und 12 Demonstranten wurden
demnach mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht, niemand sei in
Lebensgefahr. Premierminister Alexander De Croo verurteilte die
Ausschreitungen scharf. «Jeder ist frei, seine Meinung auszudrücken.
Aber unsere Gesellschaft wird niemals die blinde Gewalt tolerieren»,
sagte De Croo laut Belga.

In Düsseldorf zogen nach Schätzungen der Polizei am Samstag mehr als
7500 Gegner der Corona-Politik durch die Innenstadt, in Freiburg
waren es laut Polizei rund 5500, die auf etwa 2000 Gegendemonstranten
trafen. In Saarbrücken demonstrierten am Sonntag nach Polizeiangaben
rund 5000 Gegner der Corona-Maßnahmen. Kritiker gingen auch anderswo
auf die Straßen, so etwa am Samstag in Hamburg, Schwerin, Offenbach,
Chemnitz, Leipzig, Dresden, Regensburg und Ansbach. Vor dem
SWR-Gebäude in Stuttgart riefen Demonstranten immer wieder
«Lügenpresse» oder «Wir sind das Volk», wie ein Augenzeuge
berichtete. Die Polizei forderte Teilnehmer auf, eine Maske zu
tragen. Im schwäbischen Herrenberg protestierten am Sonntag laut
Polizei 400 Teilnehmer einer AfD-Corona-Demonstration - und rund 1000
bei einer der Initiative «Herrenberg bleibt bunt». Bei einer
Antifa-Veranstaltung mit 350 Gegendemonstranten wurden 20 in
Gewahrsam genommen, weil sie laut Polizei gegen Beamte vorgegangen
waren.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) warf den Demonstranten vor,
das Prinzip der Pressefreiheit nicht verstanden zu haben. Wer
«Lügenpresse» rufe und behaupte, der SWR und andere Medien würden
berichten, was ihnen «von oben» gesagt werde, der irre, erklärte der

DJV-Landesverband Baden-Württemberg vom Samstag. «Gleichzeitig zu
fordern, Medien sollten in ihrem Sinne berichten, ist absurd. Das
offenbart wenig Verständnis dafür, wie unabhängige Medien arbeiten
und funktionieren», sage der DJV-Landesvorsitzende Markus Pfalzgraf.

Ein Teil der Corona-Protestszene lässt sich nach Einschätzung des
Grünen-Politikers Omid Nouripour mit Gesprächen und
Überzeugungsarbeit «zurückgewinnen». Nouripour, der sich gemeinsam

mit Ricarda Lang um den Grünen-Parteivorsitz bewirbt, sagte der
Deutschen Presse-Agentur: «Es gibt da einen harten, teilweise
militanten Kern, für den ich kein Verständnis habe, aber ich habe
Empathie für viele, die da verunsichert mitlaufen.»

Er habe Menschen besucht, die gegen die Covid-19-Impfungen seien, und
habe solche Menschen auch in seinem Bekanntenkreis. In persönlichen
Gesprächen merke er, «dass ihre individuellen Erfahrungen das
Vertrauen in die Institutionen erschüttert haben». Anders sei der
«harte Kern der Corona-Leugner» zu beurteilen. Das seien teilweise
Menschen aus dem rechtsradikalen Milieu, die die
freiheitlich-demokratische Grundordnung grundsätzlich infrage
stellten: «Ich fürchte, bei ihnen ist Hopfen und Malz verloren.»

Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) sagte der dpa
in Hannover: «Viele der Teilnehmer sind letztlich gegen alles, was
der Staat ihnen vorschreibt, und dagegen wenden sie sich.» Sie
beobachte bei den Demonstrationen «eine bedenkliche Form von
Demokratie- und Staatsverdrossenheit».