«Die Lage ist handhabbar» - Noch kommen Kliniken mit Omikron zurecht

Im Norden hat die neue Corona-Variante schon früh zugeschlagen. Aber
dort sitzen auch die deutschen Impfmeister. Was lassen die
Erfahrungen im Norden für die anderen Bundesländer erwarten?

Bremen/Hamburg (dpa) - In den früh von Omikron getroffenen Städten
Bremen und Hamburg kommen Kliniken trotz steigender Patientenzahlen
bislang ohne größere Probleme durch die aktuelle Infektionswelle.
Sorge bereitet, dass immer mehr Patienten mit Corona infiziert sind,
die nicht wegen Covid-19, sondern aus anderen Gründen eingeliefert
wurden. Dies macht die Behandlung auf den Normalstationen
aufwendiger. Auch der Ausfall von Krankenhauspersonal durch Krankheit
oder Quarantäne bereitet Probleme.

Bremen und Hamburg gehörten zu den ersten Großstädten, in denen die
Fallzahlen explodierten. Was die Infektionsrate angeht, sind sie
anderen deutschen Regionen etwas voraus. Vergleiche sind aber nur
eingeschränkt möglich, weil die beiden Stadtstaaten auch zu den
Spitzenreitern bei den Impfquoten gehören. Das dürfte schwere
Verläufe seltener machen.

Bundesweit sei die Belegung der Normalstationen vergangene Woche um
3,5 Prozent gestiegen, teilte die Deutsche Krankenhausgesellschaft
(DKD) in Berlin mit. In Schleswig-Holstein liege die Zunahme bei 22
Prozent, in den Ländern Hamburg, Bremen und Berlin zwischen 10 und 15
Prozent.

«Belastung ja, Überlastung nein», sagte ein Sprecher der Bremer
Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) zur Lage der Kliniken.
Die Situation habe sich nicht verschärft. Das kleinste Bundesland
weist seit Wochen die höchste Infektionsrate auf. Der Spitzenwert am
14. Januar lag bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 1427,2. So viele
von je 100 000 Menschen haben sich rechnerisch in einer Woche
bestätigt mit dem Coronavirus infiziert.

Auch Hamburg überschritt nach Angaben des Robert Koch-Instituts zum
Ende der Woche eine Sieben-Tages-Inzidenz von 1300. Trotzdem sagt
Professor Stefan Kluge, Leiter der Klinik für Intensivmedizin am
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE): «Die Lage ist
handhabbar.» Nur stellten «isolationsbedingte Ausfälle» von Persona
l
die Kolleginnen und Kollegen vor Herausforderungen.

«Die gute Nachricht ist, dass aktuelle Daten aus unterschiedlichen
Ländern zeigen, dass das Risiko, mit einer Omikron-Infektion ins
Krankenhaus zu müssen, im Vergleich zur Delta-Variante um mehr als
die Hälfte reduziert wird», sagte Kluge. Omikron sei viel leichter
übertragbar, führe aber insbesondere bei Geboosterten über alle
Altersgruppen hinweg nicht zu so schweren Verläufen.

«Wir sehen etwa seit Anfang des Jahres eine deutliche Zunahme an
stationär behandlungsbedürftigen Patienten», sagte Florian Friedel,
Geschäftsführer des Delme-Klinikums in Delmenhorst. Die kreisfreie
Stadt nahe Bremen hat in Niedersachsen die höchste Ansteckungsrate.

«Wir beobachten, dass die Patienten, die wir derzeit versorgen,
weniger schwer erkrankt sind und die durchschnittliche Verweildauer
geringer geworden ist», sagte er. Neun von zehn Covid-Patienten seien
ungeimpft. An seiner Klinik seien derzeit 20 Mitarbeiterinnen oder
Mitarbeiter in Quarantäne oder häuslicher Isolation.

Bei den Bremer Krankenhauseinweisungen infizierter Personen sei nur
etwa ein Drittel tatsächlich an Covid-19 erkrankt, sagte Lukas
Fuhrmann, der Sprecher des Gesundheitsressorts. Zwei Drittel der
Patienten kämen wegen anderer Diagnosen und seien zusätzlich
infiziert.

«Mit Corona infizierte Patientinnen und Patienten können einen
ähnlichen hohen Aufwand verursachen wie tatsächlich an Covid-19
Erkrankte», sagte der DKD-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß. Sie
müssten isoliert untergebracht werden. Das Personal, das sie betreue,
könne nicht in Bereichen mit Nicht-Infizierten eingesetzt werden.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte deshalb, die Belastung
von Normalstationen täglich genauso zu erfassen wie die Belegung der
Intensivbetten mit Covid-19-Kranken. Auch Zahlen von
corona-infizierten Patienten mit anderen Diagnosen sollten täglich
ermittelt werden, sagte Geschäftsführer Eugen Brysch.

Über die Entwicklung der kommenden Wochen wollte das Bremer
Gesundheitsressort nicht spekulieren. Sollten die Fallzahlen weiter
extrem hoch bleiben, werde man eine steigende Anzahl an Patienten auf
Normal- wie Intensivstationen sehen, sagte Professor Kluge vom UKE.

Im Bremer Gesundheitsressort hat man beobachtet, dass die
Ansteckungsrate stärker gestiegen ist als die Inzidenz der
Krankenhauseinweisungen. Sprecher Fuhrmann führt dies auf die hohe
Impfquote in Bremen und den anderen Nordländern zurück.

Unsicher ist, was passiert, wenn Omikron im Süden und Osten ähnlich
hohe und höhere Inzidenzen erreicht. «Es ist zu befürchten, dass die

Omikron-Variante aufgrund ihrer höheren Infektiosität in Gebieten mit
niedrigeren Impfquoten wieder zu deutlich höheren
Hospitalisierungsraten führt», sagte DKD-Chef Gaß. Dort könnten dan
n
auch die Intensivstationen an Grenzen kommen.

Bisher schlagen sich die steigenden Infektionszahlen der
Omikron-Welle bundesweit gesehen nicht auf die Zahl der
Covid-19-Patienten auf Intensivstation nieder. Diese ist laut
Intensivmedizinervereinigung DIVI seit der ersten Dezemberhälfte von
rund 5000 auf zuletzt 2418 (Freitag) gesunken. Die vom RKI ermittelte
sogenannte adjustierte Hospitalisierungsinzidenz, die abschätzt, wie
viele Menschen wegen Covid-19 in einer Klinik behandelt werden
müssen, war zuletzt über rund drei Wochen stabil. Hohe
Infektionszahlen schlagen sich allerdings erst mit Verzug auf die
Kliniken nieder, weil bis zur Einlieferung eines Patienten Zeit
vergeht.