Kretschmann in Zwickmühle: Kommen Lockerungen vor Omikron-Hoch? Von Henning Otte, dpa

Omikron ist nicht wie Delta: Die neue Variante verbreitet sich viel
schneller, hat aber mildere Verläufe. Macht das leichte Lockerungen
möglich? Trotz Kretschmanns großer Skepsis spricht vor dem
Bund-Länder-Treffen einiges dafür.

Stuttgart (dpa/lsw) - Wie sich die Zeiten ändern. Es ist noch nicht
so lange her, da galt eine 7-Tages-Inzidenz von 50 als gefährlich.
Mittlerweile steigen die Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und
Woche bundesweit und auch im Land auf immer neue Rekordwerte. Erst
Mitte Februar soll der Höhepunkt der Omikron-Welle erreicht sein,
sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Doch Omikron
hat im Vergleich zur Delta-Variante eben auch einen Vorteil: Die
Erkrankungen verlaufen milder, deutlich weniger Menschen müssen auf
die Intensivstation. Das klingt, als könnten die Ministerpräsidenten
bei ihrem Treffen am Montag Lockerungen beschließen. Doch was ist,
wenn Mitte Februar mehrere hunderttausend Menschen am Tag infiziert
werden? Bricht das Gesundheitswesen dann zusammen?

Wie ist die Ausgangslage in Baden-Württemberg?

Der Südwesten liegt mit einer Inzidenz von etwa 700 im Mittelfeld der
Bundesländer. Doch seit die Mehrheit der Menschen geimpft ist, ist
die Inzidenz nicht mehr der wichtigste Maßstab für die Corona-Regeln.
Das Land schaut vielmehr auf die Belastung der Krankenhäuser. Zum
einen auf die Hospitalisierungsinzidenz - sie gibt an, wie viele
Corona-Infizierte innerhalb einer Woche und pro 100 000 Einwohner in
Krankenhäuser gebracht werden. Wichtig ist auch noch die Zahl der
Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen. Dieser Wert ist zuletzt
deutlich gesunken, was eben einen Hinweis auf die größere Milde der
Omikron-Variante gibt. Die Einlieferungen in die Klinik sind aber
zuletzt wieder etwas gestiegen. Was heißt das jetzt, ist das nur die
Ruhe vor dem nächsten Sturm?

Wie reagiert die Landesregierung darauf?

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und seine Regierung
sind in einer Zwickmühle. Sie müssen spätestens Ende Januar ihre
Verordnung aktualisieren - also zwei Wochen bevor die Omikron-Welle
mutmaßlich ihren höchsten Pegel erreichen soll. Doch wenn sie sich an
ihr eigenes Stufensystem halten will, muss die Regierung auf die
relative Entspannung auf den Intensivstationen und in den Kliniken
reagieren. Bisher ist Grün-Schwarz dieser Frage aus dem Weg gegangen,
indem man am 12. Januar die Alarmstufe II mit zahlreichen
Einschränkungen für Ungeimpfte einfach eingefroren hat. So konnte man
auch gewährleisten, dass der Beschluss der Ministerpräsidenten für 2G

plus etwa in Restaurants eingehalten werden konnte. Das heißt, dass
Geimpfte, die nicht geboostert sind, sich zusätzlich testen lassen
müssen. Doch was politisch eingefroren wird, muss auch irgendwann
wieder aufgetaut werden - darauf achtet schon die Justiz.

Welche Regeln gelten dann demnächst?

Klar ist, dass die Landesregierung Mitte nächster Woche zu ihrem
Stufensystem zurückkehrt. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof ihr das
auch noch mal ins Stammbuch geschrieben hat, wurden die internen
Pläne beschleunigt. Die Richter wurden recht deutlich: Erhebliche
Grundrechtsbeschränkungen könnten «nicht abgekoppelt von der
Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz angeordnet werden». So wie es
jetzt aussieht, gilt demnächst nur noch die zweithöchste Stufe, die
normale Alarmstufe. Und die wäre mit einigen Lockerungen verbunden.
Ein großes Aber: Die Regierung behält sich vor, nach der
Ministerpräsidentenkonferenz die bisher vorgesehenen Regeln der
Alarmstufe zu verändern. Das könnte innerhalb der Stufe auch
Verschärfungen bedeuten.  

Wer könnte von Änderungen am Stufensystem betroffen sein?

Nach den bisherigen Regeln in der normalen Alarmstufe könnten Messen
und Ausstellungen unter 2G-Bedingungen wieder öffnen. Dasselbe gilt
für Clubs und Diskotheken. Dem Vernehmen nach steht hinter beiden
Dingen zumindest ein Fragezeichen. Viele Fußballfans fragen sich
natürlich auch, ob sie mal wieder ins Stadion dürfen. In der normalen
Alarmstufe dürfte ein Stadion wieder zur Hälfte ausgelastet sein,
allerdings höchstens bis zu 25 000 Zuschauer. Auch eine solche
Lockerung dürfte in der Runde der Ministerpräsidenten mit Kanzler
Olaf Scholz (SPD) für Debatten sorgen. CSU-Chef Markus Söder will
jedenfalls im Profisport wieder mehr Zuschauer zulassen.

Wie geht Kretschmann in das Treffen am Montag?

Zuletzt trat der Grünen-Regierungschef ziemlich auf die Bremse. Die
Daten zu Omikron seien noch nicht belastbar, wahrscheinlich auch noch
nicht vor der Schalte mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Er bleibe
«auf dem Pfad der Vorsicht», versicherte er jüngst bei einem
Firmenbesuch. Seine Hauptsorge: Wenn sich sehr viele Menschen
zugleich infizieren, könne sich die Lage auf den Intensivstationen
der Kliniken wieder verschärfen. «Mache ich es zu locker, dann freut
sich das Virus.»