Britische Corona-Politik: Wales wirft Johnson Ablenkungsmanöver vor

Cardiff (dpa) - Der walisische Regierungschef Mark Drakeford sieht im
angekündigten Ende aller Corona-Maßnahmen in England ein
Ablenkungsmanöver von dem Skandal um Lockdown-Partys im Londoner
Regierungssitz. «Jeder, der gesehen hat, was in Westminster vor sich
gegangen ist, wird wissen, dass diese Ankündigungen nicht von der
Wissenschaft getrieben sind», sagte Drakeford dem Nachrichtensender
Sky News am Freitag.

Es handle sich nicht um einen sorgsam durchdachten Plan, sondern nur
um einen «Versuch britischer Minister, eine andere Schlagzeile zu
finden als die, von der die Nachrichten dominiert wurden», sagte
Drakeford weiter. Die Regierung in London sei gelähmt von dem
Skandal, weil alles darauf ausgerichtet werde, das politische
Überleben von Premierminister Boris Johnson zu sichern. Der werde
sich von dem Schaden an seinem Ruf aber nicht mehr erholen können, so
Drakeford.

Johnson, der wegen angeblicher Lockdown-Partys in der Downing Street
heftig unter Druck geraten ist, hatte für den größten Landesteil
England am Mittwoch ein Ende aller Maßnahmen in der kommenden Woche
angekündigt. In Wales ist das Vorgehen weitaus vorsichtiger. In
Großbritannien ist jeder der vier Landesteile selbst für die
Gesundheitspolitik und damit auch die Corona-Maßnahmen zuständig. In
Schottland und Nordirland wurden zuletzt ebenfalls Lockerungen
angekündigt, doch auch dort bleiben verschiedene Maßnahmen bestehen.

Die Zahl der Corona-Infektionen in Großbritannien ist zuletzt stark
gesunken, liegt aber noch immer auf einem vergleichsweise hohen
Niveau. Am Donnerstag wurden mehr als 107 000 Neuinfektionen
gemeldet. Die Zahl der Todesfälle binnen 24 Stunden lag bei 330.