Getötetes Ärztepaar: Große Anteilnahme und viele offene Fragen Von Gregor Bauernfeind, Ute Wessels und Kathrin Zeilmann, dpa

Ein Ehepaar lässt den 18-jährigen Freund der Tochter bei sich im Haus
übernachten und wird mutmaßlich von diesem erstochen. Zurück bleiben

vier minderjährige Waisen, Familienangehörige, Kollegen des Paares
und viele offene Fragen. Der Versuch einer Rekonstruktion.

Mistelbach/Bayreuth (dpa) - Es ist ein Verbrechen, das sprachlos
macht. Ein 18-Jähriger soll die Eltern seiner Freundin im
Schlafzimmer erstochen haben. Das jugendliche Mädchen und die drei
jüngeren Geschwister waren laut Ermittlern zur Tatzeit im Haus. Offen
ist die Frage nach dem «Warum?». In dem 1600-Einwohner-Dorf
Mistelbach (Landkreis Bayreuth), in dem die Familie wohnte, wie auch
in der ganzen Region sind Bestürzung und Anteilnahme groß.

Auch knapp zwei Wochen nach der Tat machen die Behörden kaum Angaben
zu dem Geschehen. Unterdessen kursieren Gerüchte, die das ohnehin
erschütternde Geschehen noch gewaltiger erscheinen lassen. «Wir
versuchen, die Wahrheit aufgrund objektiver Tatsachen zu finden. Und
das dauert seine Zeit. Da bitten wir auch um Verständnis», sagt
Polizeisprecher Matthias Potzel. Eine mündliche Angabe bei der
Polizei sei das eine - das auch peinlich genau nachzuweisen, den
Tatverdächtigen zu überführen oder auch zu widerlegen das andere. Der

18-Jährige hatte bei der ersten Vernehmung bei der Polizei die Tat
eingeräumt.

Der leitende Oberstaatsanwalt Martin Dippold sagt auch: Ein
Geständnis müsse ja nicht unbedingt richtig sein. «Es muss überpr
üft
werden, was er gesagt hat.» Angesichts des gewaltigen Vorwurfs, der
im Raum stehe, könnten erst dann detaillierte Angaben gemacht werden,
wenn es belastbare Fakten gebe - auch aus Rücksicht auf die vier
minderjährigen Kinder der Opfer. Um diese kümmert sich das Jugendamt.
Das Schicksal der Kinder bewegt die Menschen besonders.

Der getötete Familienvater war als Kinderarzt in der Region bekannt.
Sein Praxispartner veröffentlichte mit dem Team kurz nach der Tat im
Internet ein Statement. Darin drückten die Kollegen ihre
Fassungslosigkeit aus und kündigten an, die Praxis als «gemeinsames
Herzensprojekt» weiterführen zu wollen. In einer Todesanzeige der
Praxis heißt es: «Wir denken an die zurückbleibenden Kinder und deren

Familie, deren Schmerz ungleich größer ist.» Inzwischen hat die
Praxis - wie es schon lange geplant war - einen weiteren Standort
eröffnet. «Wir funktionieren», schrieb der Partner bei Twitter.
Seinen Kollegen beschrieb er als wunderbaren Menschen und großartigen
Arzt.

Auch die Einwohner der Heimatgemeinde der Opfer versuchen einen Weg
zu finden, mit dem Geschehen umzugehen. Die Tat hat das Dorf
urplötzlich in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. In der
evangelischen Kirche gab es kürzlich einen Gedenknachmittag, an dem
sich viele Menschen beteiligten; verteilt über mehrere Stunden, um
die Corona-Vorschriften zu wahren.

Eine Rekonstruktion des Tatgeschehens:

Was passierte in der Nacht zum 9. Januar?

Gegen 01.00 Uhr hörten Nachbarn Hilferufe aus dem Haus und riefen die
Polizei. Beamte fanden im Souterrain den 51-jährigen Kinderarzt und
seine 47-jährige Frau, ebenfalls Medizinerin, leblos. Die Ermittler
gehen davon aus, dass die beiden im Schlaf überrascht und erstochen
wurden.

Wer ist tatverdächtig?

In den Fokus der Ermittler rückte als dringend tatverdächtig ein
18-Jähriger, der aus dem Landkreis stammt. Er stellte sich wenige
Stunden nach der Tat im nahe gelegenen Bayreuth. Bei der Polizei
räumte er die Tat zunächst ein, beim Ermittlungsrichter schwieg er
dann allerdings. Dieser erließ Haftbefehl wegen zweifachen Mordes.
Der 18-Jährige sitzt seither in einer JVA für jugendliche Straftäter

in Untersuchungshaft. Tage nach der Tat hieß es von der Polizei, man
gehe von einem alleinhandelnden Tatverdächtigen aus. «Die
Ermittlungen, auch hinsichtlich möglicher weiterer Tatbeteiligter,
dauern noch an», teilte sie eine Woche später mit. Konkretere Angaben
gab es dazu bislang nicht.

Was war das Motiv?

Hierzu gibt es keine Angaben der Behörden, jedoch viele Gerüchte. Zu
diesen will sich die Staatsanwaltschaft nicht äußern. Der mutmaßliche

Täter sei der Freund der ältesten Tochter gewesen und habe deshalb
die Nacht in dem Haus verbracht. Medienberichten zufolge lebte der
junge Mann seit Kurzem bei der Familie. Die Kripo ermittelt noch zu
den Fragen nach dem Motiv - sowohl bei den Angehörigen der Opfer als
auch bei der Familie des Tatverdächtigen. Auskunft dazu, was dieser
zu dem Geschehen sagt, geben die Behörden nicht. Sein Anwalt sagt,
sein Mandant habe bei der Polizei eingeräumt, zwei Menschen erstochen
zu haben.

Was beschäftigt die Ermittler?

Unter anderem werden sichergestellte Spuren ausgewertet und mögliche
Tatwerkzeuge geprüft. Mehrere Messer aus dem Haus waren
sichergestellt worden. «Gerade Gutachten in Bezug auf DNA-Spuren
benötigen erfahrungsgemäß Zeit», teilte die Polizei mit. Die Kripo

untersucht auch, ob es einen Zusammenhang zur Tötung eines
24-Jährigen im August 2020 in Bayreuth gibt. Das mache man
routinemäßig bei Gewaltausbrüchen oder im Fall des Einsatzes eines
Schnittwerkzeugs, betonte ein Polizeisprecher.

Wie geht es weiter?

«Die Ermittlungen werden weiter intensiv geführt», sagt
Oberstaatsanwalt Dippold. Er geht davon aus, dass weitere Angaben
voraussichtlich erst in etwa in zwei Wochen gemacht werden können.