CDU stellt sich für Opposition auf - Gremien bereiten Parteitag vor Von Jörg Blank und Ulrich Steinkohl, dpa

Im dritten Anlauf wird Friedrich Merz an diesem Samstag CDU-Chef.
Nach seinem Erfolg bei einer Mitgliederbefragung im Dezember gilt die
Bestätigung bei einem Online-Parteitag als Formsache. Auf den neuen
Vorsitzenden warten große Baustellen.

Berlin (dpa) - Vier Monate nach ihrem Desaster bei der Bundestagswahl
stellt sich die CDU mit der Wahl einer weitgehend neuen Parteispitze
für die Arbeit in der Opposition auf. Bei einem Online-Parteitag
sollen die 1001 Delegierten an diesem Samstag Ex-Unionsfraktionschef
Friedrich Merz zum neuen Vorsitzenden wählen. Nachdem er im Dezember
in der ersten Mitgliederbefragung der Geschichte der CDU zum
Parteivorsitz mit 62,1 Prozent zum Nachfolger des als Kanzlerkandidat
gescheiterten Armin Laschet bestimmt worden war, gilt die Wahl von
Merz als sicher. Spannend bleibt, wie groß der Rückhalt ist, mit dem
die Delegierten den 66-Jährigen ausstatten.

An diesem Freitagnachmittag bereiten die noch amtierenden
Führungsgremien um den scheidenden Vorsitzenden Laschet den
Wahlparteitag vor. Um 15.00 Uhr kommt der engste Führungszirkel, das
Präsidium, zu einer hybriden Sitzung zusammen. Von 16.00 Uhr an sind
Online-Beratungen des Vorstands geplant.

Wie schon bei der Wahl Laschets vor fast genau einem Jahr - am 16.
Januar 2021 - ist wegen der Corona-Pandemie kein Präsenz-Parteitag
möglich. Wichtige Entscheidungen wie der nach wie vor ausstehende
Beschluss über eine Frauenquote können deswegen noch immer nicht
gefällt werden. Zu diesen inhaltlichen Themen plant die CDU einen
weiteren Parteitag im Frühjahr - sollte es die Pandemielage zulassen.
Ein Termin steht noch nicht fest.

Die wichtigsten Fakten und Hintergründe zum Parteitag:

Friedrich Merz - im dritten Anlauf Parteichef

Die Wahl zum Vorsitzenden dürfte für Merz eine Genugtuung sein - er
schafft im dritten Anlauf doch noch den Sprung an die CDU-Spitze.
Nachdem Angela Merkel ihren Rückzug als CDU-Chefin angekündigt hatte,
verlor er im Dezember 2018 in Hamburg auf einem Parteitag gegen die
Favoritin der damaligen Kanzlerin, Annegret Kramp-Karrenbauer. Gegen
Laschet unterlag Merz auf einem Online-Parteitag im Januar 2021.

Greift Merz zum Fraktionsvorsitz?

Nach der Wahl von Merz könnte sich ein neuer Machtkampf in der CDU
anbahnen - und die anstehenden Landtagswahlkämpfe belasten. Merz hat
bisher offen gelassen, ob er auch nach dem Amt des Fraktionschefs
greift, um sich die Rolle des Oppositionsführers im Bundestag zu
sichern. So hatte es 2002 die damalige CDU-Chefin Merkel gemacht -
und Merz nach nur zwei Jahren von diesem Posten verdrängt. Der bis
Ende April gewählte Amtsinhaber Ralph Brinkhaus will den mächtigen
Posten an der Spitze der Fraktion behalten.

Erste Nagelproben: Die Landtagswahlen im Frühjahr

Viel Zeit bleibt Merz nicht, die nach ihrem Sturz in die Opposition
verunsicherte Partei wieder aufzurichten und auch inhaltlich neu
aufzustellen. Bereits Mitte Februar beginnt die Briefwahl für die
erste der vier Landtagswahlen in diesem Jahr. Am 27. März wird im
Saarland gewählt, im Mai folgen Schleswig-Holstein (8. Mai) und
Nordrhein-Westfalen (15. Mai). In allen drei Ländern wollen die
Unions-Ministerpräsidenten ihre Ämter verteidigen - was aber unsicher
ist. Am 9. Oktober wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt.

Verliert die CDU die Wahlen und die Regierungsmacht in den drei
unionsgeführten Ländern Saarland, Schleswig-Holstein und NRW, müsste

Merz gleich zu Beginn schmerzhafte Niederlagen erklären.

Kann Merz Team?

Merz galt in der CDU lange als Polarisierer und Liebling der
Konservativen sowie des Wirtschaftsflügels. Als Nach-Nach-Nachfolger
von Merkel will er die Partei wieder zusammenführen. Bedenken, er sei
kein Teamplayer, versuchte Merz zu zerstreuen. So soll der
Bundestagsabgeordnete und frühere Berliner Sozialsenator Mario Czaja
Generalsekretär werden und für Merz den Arbeitnehmerflügel abdecken.

Für den auf einem späteren Präsenz-Parteitag neu zu schaffenden
Posten einer stellvertretenden Generalsekretärin präsentierte er die
Bundestagsabgeordnete und bisherige baden-württembergische
Kommunalpolitikerin Christina Stumpp.

Wie sieht das Kandidatenfeld für die CDU-Spitze aus?

Als Konsequenz aus dem mit 24,1 Prozent historisch schlechtesten
Unionsergebnis bei einer Bundestagswahl wählt die CDU ihre komplette
Führungsspitze neu. Von den bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden
tritt nur Silvia Breher erneut an. Für die weiteren vier
Stellvertreterposten bewerben sich die schleswig-holsteinische
Bildungsministerin Karin Prien, der sächsische Ministerpräsident
Michael Kretschmer, der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete
Andreas Jung und der Bundestagsabgeordnete und Wirtschaftsexperte
Carsten Linnemann.

Für die übrigen sieben Posten im Parteipräsidium kandidieren acht
Frauen und Männer. In der CDU heißt es, womöglich müsse die
Vorsitzende der Frauen Union und ehemalige Migrationsbeauftragte der
schwarz-roten Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, um ihren Platz
im Präsidium fürchten. Unter anderem bewirbt sich auch der bisherige
stellvertretende Parteichef und frühere Gesundheitsminister Jens
Spahn um einen Präsidiumsplatz. Von den insgesamt 54 Bewerbern für
die Führungsgremien ist die Hälfte weiblich.

Die Rivalen von Merz bei der Mitgliederbefragung, der Außenpolitiker
Norbert Röttgen und Ex-Kanzleramtschef Helge Braun, treten nach dem
aktuellen Stand der Bewerber nicht für einen Posten in der künftigen
Parteispitze an.

Wie geht es nach dem Parteitag weiter?

Die Delegierten müssen die Online-Wahl noch per Briefwahl bestätigen.
Deren Ergebnis soll am 31. Januar verkündet werden. Merz will die neu
gewählte CDU-Spitze bereits am Samstagnachmittag erstmals um sich
versammeln. Offiziell sind die konstituierenden Sitzungen der neuen
Führungsgremien am 7. Februar.

Was macht Laschet künftig?

Laschet war erst vor gut einem Jahr, am 16. Januar 2021, zum
Vorsitzenden gewählt worden. Er stellte sein Amt nach der Niederlage
bei der Bundestagswahl zur Verfügung. Der frühere
nordrhein-westfälische Ministerpräsident ist damit in der Geschichte
der CDU der Vorsitzende mit der kürzesten Amtszeit. Künftig sitzt er
als einfacher Abgeordneter im Bundestag. Dort ist der frühere
Europapolitiker Mitglied im Auswärtigen Ausschuss.