Ultimatum für bessere Arbeitsbedingungen an Uniklinken

Für Beschäftigte der Krankenhäuser gab es in der Corona-Krise viel
Beifall. Doch bei den Arbeitsbedingungen habe es keine wesentliche
Verbesserung gegeben, kritisiert Verdi. Die Situation habe sich sogar
dramatisch zugespitzt. Sie stellt für Verbesserungen ein Ultimatum.

Düsseldorf (dpa/lnw) - «Dieses 100-Tage-Ultimatum ist ein Notruf an
die Politik.» Lisa Schlagheck, Pflegekraft in einer chirurgischen
Notaufnahme des Uniklinikums in Münster, sieht für sich ohne bessere
Arbeitsbedingungen keine Zukunft in diesem Beruf. «Wir springen ein,
wir arbeiten länger, wir verzichten auf Pausen, wir opfern unsere
Freizeit und trotzdem arbeitet man gefühlt gegen Mühlen», schilderte

sie am Donnerstag in einer Online-Pressekonferenz der Gewerkschaft
Verdi die Arbeitsbelastung. Es fehlten immer mehr Mitarbeiter vor
Ort. «Die Arbeit, die laugt einen aus, macht mich ein bisschen kaputt
auf Dauer.» Die Bereitschaft, für bessere Arbeitsbedingungen zu
kämpfen, sei hoch.

Mit dem 100-Tage-Ultimatum will die Gewerkschaft Verdi kurzfristig
für die Tausenden Beschäftigten der sechs Universitätskliniken in
Nordrhein-Westfalen bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen. Der
Personalnotstand werde durch die Berufsflucht überlasteter
Beschäftigter noch größer, wenn jetzt nicht gehandelt werde, sagte
Verdi-Landesleiterin Gabriele Schmidt. Der seit Jahren herrschende
massive Personalnotstand habe in den Einrichtungen inzwischen zu
einer unerträglichen Belastungssituation der Beschäftigten und
dadurch zu einer hohen Fluktuation geführt. Verdi befürchtet aufgrund
einer Studie, dass 40 Prozent erwägen, den Beruf zu verlassen.

Verdi sieht die Landesregierung in der Pflicht, für eine bessere
Finanzierung der Unikliniken zu sorgen und damit ein Grundproblem zu
beheben. Die Politik habe zu lange weggeschaut, kritisierte Schmidt.
Die Gewerkschaft fordert die Arbeitgeber auf, bis zum 1. Mai 2022
einen Tarifvertrag zur Entlastung der Beschäftigten abzuschließen.
Dabei gehe es unter anderem um einen Ausgleich bei Unterbesetzung in
Form von Freizeit. Das erzeuge den nötigen Druck, um mehr Personal
einzusetzen. Es müssten Mindestpersonalausstattungen festgelegt
werden. Verdi NRW unterstrich dabei, man habe nicht nur die Pflege im
Blick, denn ein Krankenhaus funktioniere nur mit allen Berufsgruppen.
Der Tarifvertrag solle Vorbild für alle Krankenhäuser in NRW sein.  


Mit deutlich besseren Arbeitsbedingungen könnten viele Fachkräfte
zurückgewonnen werden. Das Potenzial schätzt Verdi NRW auf bundesweit
etwa 200 000 Arbeitnehmer. Auch für Nachwuchskräfte seien bessere
Bedingungen dringend erforderlich, denn jeder vierte Auszubildende
verlasse den Gesundheitsbereich vor Ausbildungsende. Das Ultimatum
sei von rund 700 Beschäftigten aus den sechs Kliniken Aachen, Bonn,
Düsseldorf, Essen, Köln und Münster am Mittwoch in einer Konferenz
beschlossen worden. Schmidt erklärte, es gebe in der Gesellschaft ein
Gespür, das irgendetwas im Gesundheitssystem nicht mehr in Ordnung
sei. Verdi geht davon aus, dass landesweit in NRW schätzungsweise
mehrere 10 000 Stellen inzwischen im Gesundheitsbereich fehlen.
Corona habe die Fehlentwicklung wie ein Brennglas sichtbar gemacht.

Unterdessen teilte die Landesregierung am Donnerstag mit, dass sie
den Universitätskliniken für die Bewältigung der Corona-Krise rund
194 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Das Geld solle als Ausgleich
für gestiegene Betriebskosten sowie für Investitionen verwendet
werden. Zur Bewältigung der Corona-Krise seien den Unikliniken
bereits im April 2020 mehr als 100 Millionen Euro zusätzlich zur
Verfügung gestellt worden. Mit dem Geld konnten die Kliniken unter
anderem ihre Bettenkapazitäten erhöhen und zusätzliche Laborgeräte

anschaffen, hieß es. Im September 2020 folgte das NRW-Sonderprogramm
für die Unikliniken von einer Milliarde Euro zur grundsätzlichen
Modernisierung baulicher und medizintechnischer Strukturen, erklärte
das Ministerium für Kultur und Wissenschaft in einer Mitteilung.

Eine Stellungnahme des Finanzministeriums zu den Forderungen der
Gewerkschaft Verdi war am Donnerstag zunächst nicht zu erhalten.