Maier nach Protesten in Gera: Macht der Bilder nicht unterschätzen

Ein Mann wird bei einem Polizeieinsatz in Gera bewusstlos, ein Video
davon verbreitet sich auf Telegram. Am Tag darauf stehen hunderte
Menschen vor dem Haus des Oberbürgermeisters. Der Thüringer
Innenminister sieht die Entwicklung mit Sorge.

Erfurt (dpa/th) - Nach den Geschehnissen um Proteste gegen die
Corona-Maßnahmen in Gera hat Thüringens Innenminister Georg Maier
(SPD) das Vorgehen der Polizei verteidigt. Das Wohnhaus von
Oberbürgermeister Julian Vonarb (parteilos) sei am Dienstagabend
geschützt worden und es seien keine Menschen zu dem Haus
vorgedrungen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag.
Die Größenordnung des Aufzugs sei für die Polizei jedoch überrasche
nd
gewesen. Deswegen seien auch nicht so viele Kräfte vor Ort gewesen,
um die Versammlung so zu steuern oder gar aufzulösen, wie es
wünschenswert gewesen wäre.

Mit Blick auf die Situation bei einem Protest am Montagabend, als ein
Mann bei einem Polizeieinsatz bewusstlos wurde, sagte er: Wenn es zu
Gewalt komme, müsse reagiert werden. «Und das kann auch mit einfacher
körperlicher Gewalt erfolgen.» Die Verhältnismäßigkeit müsse ab
er
gewahrt bleiben. Wenn sich Beamte, die im Einsatz Opfer von Gewalt
werden, deswegen zurückhalten müssten weil eventuell Bilder
produziert werden, die dann zusammengeschnitten einen falschen
Eindruck vermitteln, sei das «polizeitaktisch eine falsche
Herangehensweise».

In Gera war am Montagabend ein Mann im Verlauf eines Polizeieinsatzes
für kurze Zeit bewusstlos geworden. Er soll nach Angaben der Polizei
zuvor Beamte tätlich angegriffen haben. In einem Video von dem
Vorfall war lediglich der Einsatz gegen den Mann zu sehen, der
letztlich reglos am Boden lag. Das Video kursierte unter anderem in
Telegram-Kanälen, in denen auch zu Protesten gegen die staatlichen
Corona-Maßnahmen aufgerufen wird. Am Dienstag formierte sich in Gera
denn ein Protestzug von 1200 Menschen, die auch lautstark das Haus
des Oberbürgermeisters Julian Vonarb (parteilos) passierten.

Auf dem Video von dem Vorfall vom Montag werde nicht das ganze Bild
gezeichnet, sagte Maier. So sei nicht zu sehen, wie aggressiv sich
der Mann verhalten habe. Man könne sich vorstellen, dass auch Ziel
der Protestteilnehmer sein könne, solche Bilder zu produzieren. «Das
heizt die Stimmung auch an. Und es geht ja auch darum, für die
Initiatoren solcher rechtswidriger Versammlungen, die müssen jetzt
natürlich die Stimmung aufrecht erhalten.»

Da teils auch Kinder bei solchen Protesten dabei seien, sei nicht
auszuschließen, dass auch angestrebt werde, Bilder zu produzieren,
auf denen auch Kinder betroffen sind. Die Polizei versuche das
natürlich zu verhindern. «Aber wenn es jetzt zum Beispiel zum Einsatz
von Reizgas kommt, dann kann das natürlich schon der Fall sein.» Die
Macht der Bilder sei in solchen aufgeheizten Zeiten und auch vor dem
Hintergrund von großen Reichweiten von Kanälen wie Telegram nicht zu
unterschätzen, sagte er.

Geras Oberbürgermeister Vonarb bezeichnete den Protest vor seinem
Wohnhaus am Dienstagabend als das Überschreiten einer roten Linie.
Auf die Frage, ob er sich am Dienstagabend akut bedroht gefühlt habe,
antwortete Vonarb: «Die Polizei war mit vor Ort, allerdings nicht in
einem angemessenen Verhältnis im Vergleich zur Anzahl der
Demonstrierenden.» Komme es in so einer Situation zu
Gruppendynamiken, könne immer etwas passieren.

Angesichts der schieren Anzahl an Versammlungen im Land sei es eine
Herausforderung, immer dort genügend Kräfte zu haben, wo sich
überraschenderweise Menschen versammeln, sagte Maier. Den Schutz von
Kommunalpolitikern habe die Polizei jedoch im Blick. «Es ist ja eine
ganz wichtige und zentrale Aufgabe, politische Personen,
Kommunalpolitiker zu schützen.»

Maier verurteilte den Aufmarsch vor Vonarbs Haus scharf. «Das sind
perfide Strategien, auch von den Initiatoren solcher Versammlungen»,
sagte er. Aus seiner Sicht handle es sich um «rechtswidrige
Einschüchterungsversuche gegenüber Politikerinnen und Politikern». Im

Dezember war zu einer Versammlung vor dem Wohnhaus Maiers aufgerufen
worden - es erschien aber niemand vor Ort, die Polizei hatte das Haus
geschützt.