Zuzahlungen für Pflege im Heim weiter gestiegen Von Sascha Meyer, dpa

Viele Pflegeheimbewohner und ihre Familien müssen seit langem mit
wachsenden finanziellen Belastungen zurecht kommen. Auch zum Start
ins Jahr ging es noch mal hoch. Zeigt eine neue Kostenbremse Wirkung?

Berlin (dpa) - Für Pflegebedürftige sind Zuzahlungen für die Pflege
im Heim weiter gestiegen. Zum 1. Januar waren im bundesweiten Schnitt
2179 Euro im Monat aus eigener Tasche fällig, wie aus neuen Daten des
Verbands der Ersatzkassen hervorgeht. Das waren 111 Euro mehr als
Anfang 2021. Es gibt aber weiter große regionale Unterschiede. Am
teuersten sind Heimplätze in Nordrhein-Westfalen mit nun im Schnitt
2542 Euro und in Baden-Württemberg mit 2541 Euro. Am wenigsten kostet
es in Sachsen-Anhalt mit 1588 Euro. Mit Jahresbeginn greifen aber
auch erste Entlastungen, die noch die alte Bundesregierung auf den
Weg gebracht hat. Forderungen nach weiteren Schritten werden lauter.

In den Summen ist zum einen der Eigenanteil für die reine Pflege und
Betreuung enthalten. Denn die Pflegeversicherung trägt - anders als
die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten. Für Heimbewohner
kommen daneben aber noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und auch
für Investitionen in den Einrichtungen dazu. Der Eigenanteil allein
für die reine Pflege stieg nun im bundesweiten Schnitt auf 912 Euro,
nachdem es zum 1. Januar 2021 noch 831 Euro gewesen waren.

Zum Schutz vor stärkeren Belastungen traten zu Jahresbeginn auch
Neuregelungen einer Pflegereform in Kraft. Heimbewohner bekommen
neben den Zahlungen der Pflegekasse jetzt einen Zuschlag, der mit der
Pflegedauer steigt. Der Eigenanteil für die reine Pflege soll so im
ersten Jahr im Heim um 5 Prozent sinken, im zweiten um 25 Prozent, im
dritten um 45 Prozent und ab dem vierten Jahr um 70 Prozent.

Der ehrenamtliche Vorsitzende des Verbands der Ersatzkassen (vdek),
Uwe Klemens, sagte am Donnerstag, die Entwicklung müsse genauestens
beobachtet werden. Laut den neuen Daten sind nicht nur Zuzahlungen
für die reine Pflege gestiegen. Für Unterkunft und Verpflegung waren
mit Stand 1. Januar im bundesweiten Schnitt 801 Euro pro Monat fällig
- nach 779 Euro Anfang 2021. Als Zuzahlung für Investitionskosten in
den Heimen fielen im Schnitt 466 Euro an (1. Januar 2021: 458 Euro).

Warnungen vor weiterhin steigenden Belastungen kamen prompt. Schon
jetzt zeige sich, dass die gerade in Kraft getretenen Änderungen den
820 000 Heimbewohnern kaum etwas bringen würden, sagte der Vorstand
der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen
Presse-Agentur. Auch in Zukunft müsse mit Erhöhungen gerechnet werden
- und Zuschüsse von fünf Prozent im ersten Jahr im Heim könnten die
Mehrbelastung nicht decken. Deshalb müsse der Pflegeanteil künftig
komplett übernommen werden. «Für Unterbringung, Verpflegung und
überdurchschnittlichen Komfort sollte jeder selbst aufkommen.»

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte «eine echte
Pflegereform», bei der jetzt die neue Regierung am Zug sei. «Die
Pflegeversicherung muss endlich zu einer Vollversicherung ausgebaut
werden, um endgültig Schluss zu machen mit der Armutsfalle Pflege»,
sagte Vorstandsmitglied Anja Piel der dpa. Linke-Chefin Susanne
Hennig-Wellsow sagte der dpa, «die Kostenspirale immer weiter
steigender Eigenanteile» müsse unverzüglich gedeckelt werden. Und
mittelfristig brauche es einen grundlegenden Spurwechsel für ein
würdevolles Altern - mit dem Umbau zu einer Pflegevollversicherung,
die alle pflegerischen Leistungen gesetzlich abgesichert abdecke.

Für die Ersatzkassen erläuterte Klemens, steigende Löhne und bessere

Personalausstattung seien richtig und wichtig. «Sie zehren aber die
Entlastung bei den pflegebedingten Eigenanteilen wieder auf.» Eine
Studie der Universität Bremen komme zu dem Ergebnis, dass diese
bereits ab 2023 durch Kostensteigerungen neutralisiert sein könnten.
Derzeit seien rund zehn Prozent der Pflegebedürftigen von Leistungen
der «Hilfe zur Pflege» abhängig - und das seien zu viele.

Dabei zielt die von der großen Koalition beschlossene Reform zugleich
auch auf bessere Löhne für dringend gesuchte Pflegekräfte. Dafür da
rf
es ab 1. September Versorgungsverträge nur noch mit Einrichtungen
geben, die nach Tarifverträgen oder in ähnlicher Höhe zahlen. In der

Altenpflege mit rund 1,2 Millionen Beschäftigten erhält laut
Arbeitsministerium nur knapp die Hälfte Tariflohn. Zur Finanzierung
stieg der Pflegebeitrag für Menschen ab 23 Jahre ohne Kinder zum
1. Januar von 3,3 auf 3,4 Prozent. Der Bund gibt zudem nun jährlich
eine Milliarde Euro als Zuschuss in die Pflegeversicherung.