Omikron-Welle: Gesundheitsämter schränken Kontaktnachverfolgung ein

Berlins Gesundheitsämter ächzen seit Beginn der Pandemie unter der
Corona-Last. Nun gibt es noch mehr Infektionen wegen Omikron - und
die Behörden sehen sich zum Handeln gezwungen.

Berlin (dpa/bb) - Wegen der starken Zunahme von Corona-Infektionen
schränken Berlins Gesundheitsämter die Kontaktnachverfolgung weiter
ein. «Die hohe Fallzahl hat eine noch stärkere Priorisierung zur
Folge», sagte der Gesundheitsstadtrat von Charlottenburg-
Wilmersdorf, Detlef Wagner, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.
Darauf hätten sich die Ämter der zwölf Bezirke verständigt. Sie
wollen sich demnach bei der Kontaktnachverfolgung künftig noch mehr
auf Menschen aus gefährdeten (vulnerablen) Gruppen oder auf besondere
Ereignisse wie Corona-Ausbrüche in Pflegeheimen konzentrieren.

Wagner verwies darauf, dass Gesundheitsämter die Nachverfolgung
bereits vor Monaten reduziert hätten - nicht zuletzt wegen
Personalmangels. «Wir können die Kontakte schon seit Oktober 2021
nicht mehr alle nachverfolgen», schilderte er die Situation in seinem
Bezirk, die in anderen Bezirken ähnlich ist. Nun nehme die Zahl der
Infektionen wegen der Virus-Variante Omikron stark zu. Allein in
Charlottenburg-Wilmersdorf hätten sich rund 70 Beschäftigte zuletzt
mehr als 1000 gemeldeten Corona-Fällen pro Tag gegenübergesehen.

Die Praxis zeige, dass sich die meisten Infizierten von allein in
Isolation begäben, fügte Wagner hinzu. «Das Prinzip
Eigenverantwortung funktioniert gut.» Gleichwohl bemühten sich die
Mitarbeiter um individuelle Prüfung der Fälle.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte am
Dienstag für neue Regeln zur Kontaktnachverfolgung plädiert. Geklärt

werden müsse, an welchen Stellen dies noch sinnvoll sei, damit
Gesundheitsämter «fokussierter arbeiten» und entlastet werden
könnten. Giffey forderte dazu bundesweit einheitliche Vorgaben und
kündigte an, das Thema bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz

(MPK) am kommenden Montag (24. Januar) anzusprechen.

Unterdessen sind aus der Berliner Bevölkerung Klagen zu hören, wonach
die von Bund und Ländern vereinbarten neuen Regeln für die Isolation
von Infizierten und die Quarantäne von Kontaktpersonen in den
Bezirken teils unterschiedlich gehandhabt würden. Das sorge etwa bei
Eltern und Kitas für Verunsicherung, wenn es um die Frage gehe, wie
lange Kinder nach einer Corona-Infektion - oder deren Spielkameraden
- zu Hause bleiben müssen.

Bezirksstadtrat Wagner sagte dazu, unterschiedliches Vorgehen der
Ämter sei im Rahmen der Einzelfallprüfung rechtlich möglich.
Gesundheitsämter könnten nicht weniger, aber in bestimmten Fällen
durchaus mehr machen, als die Gesetzgebung vorsehe. Auch Schulen und
Kitas könnten im Rahmen ihres Hausrechts in diesem Sinne abweichend
handeln. Die neuen Regeln, die in Berlin seit dem vergangenen Freitag
gelten, dienen dem Zweck, Quarantäne und Isolation zu verkürzen
beziehungsweise die Quarantäne etwa bei Geboosterten - also Menschen
mit Auffrischspritze - sogar zu vermeiden.

Corona breitet sich in Berlin so schnell aus wie nie zuvor. Für die
vergangenen sieben Tage meldeten die Gesundheitsämter 1055,1
Neuinfektionen je 100 000 Einwohner, wie der Gesundheitsverwaltung am
Mittwoch mitteilte. Damit ist die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz zum
ersten Mal seit Ausbruch der Pandemie vierstellig. Vor einer Woche
hatte sie noch bei 856,4 gelegen. Im Bundesländervergleich ist sie
nur in Bremen höher, wo sie laut Robert Koch-Institut 1295,6 beträgt.

Auf Ebene der Landkreise finden sich sechs Berliner Bezirke unter den
zehn Kreisen mit der bundesweit höchsten Inzidenz, allen voran
Berlin-Mitte mit einem Wert von 1797,5.